: Der Traum von der klimaneutralen Kohle
In rund 100 Projekten erkunden weltweit Forscher und Firmen, wie man Kohlendioxid aus Kraftwerken im Boden versenken kann. Clement verkündet schon emissionsfreie Kohlenmeiler ab 2020. Greenpeace warnt vor „Feigenblatt“-Technologie
AUS BERLIN MATTHIAS URBACH
Wenn es schon nicht möglich ist, Kohle zu verbrennen, ohne Kohlendioxid zu erzeugen, warum fängt man das Klimagas nicht einfach ein und deponiert es tief unter der Erde. Diese zunächst etwas spinnert anmutende Idee findet weltweit unter Regierungen und Energiekonzernen immer mehr Anhänger. Die Internationale Energie Agentur (IEA) zählte in ihrer Übersicht bereits im März 95 Projekte weltweit, die sich damit beschäftigen.
Dass es sich dabei um mehr als eine Idee handelt, beweist die Firma Statoil schon seit 1996. In Sleipner West einem norwegischen Erdgasfeld in der Nordsee, fördert die Firma Erdgas mit einem Kohlendioxidgehalt von neun Prozent. Für den Verkauf darf es aber nur 2,5 Prozent enthalten. Normalerweise würde das Gas einfach entweichen, doch die Firma schneidet es ab vom Gasstrom und pumpt es in eine Salzschicht 800 Meter unter dem Meeresgrund. Das mindert Norwegens Gesamtemission um drei Prozent und erspart Statoil jährlich 44 Millionen Euro an CO2-Steuern. Die Anlage kostet 350 Millionen Euro.
Kein Wunder, dass Länder wie die USA, Australien und Kanada, die die alten Energiestrukturen erhalten wollen, kräftig die Forschung fördern. Auch in Deutschland entsteht in Ketzin, rund 25 Kilometer vor Berlin, ein Projekt zur Erforschung der CO2-Speicherung in Salzschichten.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement proklamiert bereits das Zeitalter der sauberen Kohle: Schon 2020, so ließ er auf einem Festakt der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft Ende Juli durchblicken, könne der Ausstoß von Kohlendioxid in Kraftwerken auf null heruntergefahren werden. Ähnlich optimistische Botschaften hatte im Frühjahr die RAG in ihrer Kohlenkampagne auf großen Plakatwänden verbreitet.
Dieser zur Schau gestellte Optimismus ruft nun Greenpeace auf den Plan. „Das ist nur ein Feigenblatt zur Legitimation der Braunkohle“, schimpft Stefan Krug, Leiter des Berliner Büros. Tatsächlich sei die Technik 2020 gerade mal am Anfang, ergänzt die Geowissenschaftlerin Gabriela von Goerne, die für Greenpeace im IPCC-Ausschuss zur Einlagerung von CO2 Mitglied ist (ein UN-Expertengremium). Viele Fragen seien noch offen: Wie lange halten die Lager das CO2 zurück? Können die Betondichtungen alter Gasfelder dem CO2 widerstehen? Und vor allem: Was kostet der Spaß?
Denn anders als bei den Gasfeldern, wo das CO2 ohnehin abgeschieden werden muss und ein altes Depot unmittelbar neben der Quelle ist, müssten die Kraftwerksabgase erst aufwändig gereinigt werden. Und der Prozess senkt empfindlich die Stromausbeute. Dann muss das CO2 durch lange Pipelines zu geeigneten Standorten gebracht werden. Alles in allem ein teurer Spaß. Etwa verdoppeln könnten sich mit dieser Methode die Erzeugungskosten für Strom aus Kohle, wie sowohl Greenpeace als auch Experten der Energieversorger einhellig schätzen. „Da gibt es viel effektivere Methoden“, sagt von Goerne. „Zum Beispiel Erneuerbare Energien.“
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