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Archiv-Artikel

Ein Zuckerl für die Erwerbslosen

Nach heftigen Protesten erhöht Clement die Freibeträge für die Sparkonten der Kinder von Arbeitslosen. Die Auszahlung von Alg II erfolgt jetzt schon Anfang Januar. Montagsdemos werden trotzdem nicht ausgesetzt: „Wir lassen uns nicht abspeisen“

AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN

Wer will, kann von einer „Niederlage“ Wolfgang Clements reden. Oder auch davon, dass Gerhard Schröder Hartz IV zur „Chefsache“ gemacht und den Arbeitsminister zum „Einlenken gezwungen“ habe.

Das Ergebnis der Runde aus Kanzler, Ministern und Koalitionsspitzen im Kanzleramt am Mittwochabend jedenfalls ist, dass das Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) nun in zwei Punkten etwas weicher wird: Alle Kinder von Alg-II-Beziehern dürfen nicht bloß 750, sondern 4.100 Euro auf dem Konto haben, die unangetastet bleiben. Arbeitslosenhilfe gibt es ein letztes Mal Ende Dezember 2004 – und gleich Anfang Januar das neue Alg II.

Clement selbst hat ein durchaus distanziertes Verhältnis zur politmedialen Rhetorik: „Welches Klischee von mir wollen Sie denn haben? Den Trotzkopf mit schnarrender Stimme?“, fragte er die Journalisten, die gestern herauszufinden versuchten, wie er die Einigung bewerte. Nun, er habe „einer Regelung zugestimmt“, die der Sache diene, sagte Clement. Nein, er „verspüre keinen Druck der Straße“.

Zumindest seinem Kanzler ging es offenbar anders. Denn es bedurfte schon des beträchtlichen Aufruhrs durch die „Montagsdemos“, um Hartz IV nun an zwei Stellen zu verändern, die in der Koalition seit Monaten als problematisch bekannt sind. Die Veranstalter der Demos gaben gestern jedoch kund, dass sie auf keinen Fall aufhören. „Damit lassen wir uns nicht abspeisen“, sagte der Magdeburger Initiator Andreas Ehrholdt.

Weitere Zugeständnisse sind jedoch nicht vorgesehen. Dies erklärten Clement wie auch SPD-Chef Franz Müntefering gestern auch Richtung Gewerkschaften. IG Metall und Ver.di, aber auch die Grünen und einige SPD-Arbeitsmarktexperten kritisieren die komplizierten Regeln darüber, wie viel sich Alg-II-Empfänger dazuerjobben dürfen. Diese müssten einfacher und großzügiger ausgestaltet werden.

Clement behauptete dazu gestern zwar: „Ich bin auch zu Gesprächen über Zuverdienstmöglichkeiten bereit.“ Allerdings kostet ihn dies Angebot nichts, denn darauf wird sich die Union kaum einlassen. Clement wies selbst darauf hin, dass die CDU im Vermittlungsausschuss gefordert habe, es dürfe überhaupt keinen Zuverdienst für Alg-II-Empfänger geben.

Für die Kinderfreibeträge und die Januar-Auszahlung dagegen kann Rot-Grün voraussichtlich auf die Zustimmung der Union setzen. Darauf ist sie in jedem Fall angewiesen, da sie die Änderungen als Gesetz durch den Bundesrat bekommen möchte. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) war der Erste, der dies gestern begrüßte und seine obligate Kritik auf „schwere handwerkliche Fehler“ beschränkte. Im Osten dagegen blieben die Reaktionen mau: Sowohl Thüringens Landeschef Dieter Althaus (CDU) als auch Brandenburgs Landeschef Matthias Platzeck (SPD) sprachen von einem „Schritt in die richtige Richtung“.

Die Regierung muss nun klären, wer für die beiden Änderungen bezahlt. Etwa 800 Millionen Euro muss Finanzminister Hans Eichel für das Januar-Alg-II aus dem – ohnehin sehr engen – Haushalt herausschnitzen. Hinzu kommt eine Belastung von rund 500 Millionen Euro für die Kommunen durch das Wohngeld – die diese vom Bund zurückfordern werden. Was die Erhöhung der Kinderfreibeträge kostet, ist unklar, denn es ist wenig über die Sparbücher von Arbeitslosen-Kindern bekannt.

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