„Der Sport muss der Wirtschaft entgegenkommen“

Der Sportmarketing-Experte Wolfgang Maennig hat einst als olympischer Ruderer nur 2.000 Mark mit Werbung verdient. Ungerecht? Nein

taz: Herr Maennig, Olympia lockt die Wirtschaft an. Der Glanz der Medaillen soll auch auf Rabattkarten- und Hamburgerkonzerne fallen, die Millionen für Lizenzen ausgeben. Ist Olympia nur noch eine Marke?

Wolfgang Maennig: Natürlich wollen die Sponsoren ihre Produkte mit den olympischen Werten aufladen. Das birgt aber auch die Gefahr, dass diese darunter leiden. Aber jeder, der zusätzliches Geld für die olympische Familie zusammentragen will, muss der Wirtschaft und den Massenmedien entgegenkommen.

Aber besten entginge man der Gefahr des Imageverlusts, wenn man das Sponsoring wieder abschaffen würde. Oder gäbe es dann keine Olympischen Spiele mehr?

Doch, es ging ja auch bis 1980 ohne Sponsoren. Bis dahin herrschte im IOC eine sehr restriktive Haltung, was das Marketing und den Amateurstatus von Sportlern anging. Und es gab ja dennoch tolle Olympische Spiele.

Dann könnte man Olympia doch wieder zur konsumfreien Zone machen.

Etwa die Hälfte der Marketing- und Fernseherlöse geht an die Städte, die die Spiele organisieren. Der Rest geht an das IOC, das wiederum 93 Prozent nach einem bestimmten Schlüssel an die Nationalen Olympischen Komitees und internationalen Sportverbände weiterverteilt. Und wenn zum Beispiel dem Ruderverband – aus dem ich ja komme – diese Einnahmen nicht zur Verfügung stünden, hätte der ein echtes Problem.Und auch die armen NOKs, zum Beispiel in afrikanischen Ländern, brauchen Sponsorengelder. Fallen die weg, werden gerade die benachteiligt, denen man das am wenigsten wünschen würde.

Funktioniert denn der Ausgleich unter den verschiedenen Sportarten? Ein Leichtathletik-Star kann sich doch mit Werbeverträgen zukleben lassen, aber ein Goldmedaillengewinner im Bogenschießen dürfte auf die Sporthilfe angewiesen bleiben.

Die Frage ist, ob man dieses Ungleichgewicht auflösen will. In jeder Branche gibt es unterschiedliche Bezahlungen, und das hat nicht immer was mit Leistung zu tun. Ich habe als Ruderer einmal 2.000 Mark für eine Müsliriegel-Werbung bekommen, das war’s.

Und es hat Sie nicht geärgert, dass Sie mit einer anderen Sportart das Hundertfache hätten verdienen können?

Doch, wahnsinnig. Aber ich konnte mich auch nicht der Illusion hingeben, dass ich von den Zinsen meiner Werbeverträge auf Dauer Leben kann. Ich wusste, dass ich auch eine Ausbildung machen musste. So gesehen, hatte das auch was Gutes.

Anderen reichen ein paar Jahre Leistungssport, um nie mehr arbeiten zu müssen. Wäre ein Ausgleichssystem, zumindest innerhalb der olympischen Familie, nicht gerechter?

Einverstanden, das ist ein Problem. Aber nicht nur im Sport, sondern in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens. Alle Versuche zur Lösung sind bislang gescheitert.

Das IOC hat also keine andere Wahl, als sich den Marktmechanismen noch weiter zu öffnen, weil sich der Sport immer stärker kommerzialisieren wird?

Ich bin mir da nicht so sicher. Beim Fußball hatten wir nach der Pleite von Kirch plötzlich einen dramatischen Wertverfall der Fernsehrechte. Wir gehen aber davon aus, dass die olympische Idee faszinierend bleibt und die Leute bereit sind, immer mehr dafür zu zahlen. Aber das muss nicht so sein. Früher haben die Menschen auch viel Geld für ihre Religion ausgegeben, um in den Himmel zu kommen. Das spielt heute fast keine Rolle mehr. Wer weiß, wie wir demnächst über den Konsum von Sport denken. Es kann eigentlich nicht immer nur aufwärts gehen. INTERVIEW: STEPHAN KOSCH