Die Berliner Zeitungs-Soap

Darf der Holtzbrinck-Verlag die „Berliner Zeitung“ kaufen – ohne den „Tagesspiegel“ zu verkaufen? Bundeswirtschaftsminister Clement grübelt weiter und hört sich heute nochmals alle Argumente an

von STEFFEN GRIMBERG

Der Holtzbrinck-Verlag will zum Tagespiegel auch noch die Berliner Zeitung kaufen. Das hat das Kartellamt untersagt. Per Ministererlaubnis (ME) soll Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) doch noch den Deal absegnen. Dazu hört er sich heute noch mal, ob den Beteiligten was Neues eingefallen ist. Die taz erklärt vorab, wer was will:

Holtzbrinck: Bitte bloß kein Käufer

Armer Stefan von Holtzbrinck: Als er vor zehn Tagen mit anderen Verlegern beim Kanzler soupierte, gab der noch solch angenehme Geräusche von sich, dass die heutige Anhörung nur mehr eine Formsache schien: Gerhard Schröder habe eine Liberalisierung der Pressefusionskontrolle in Aussicht gestellt, sickerte durch. Die Ministererlaubnis zur Übernahme der Berliner durch die Herren des Tagesspiegels hätte da eine schöne erste Setzung sein können, auch wenn der dafür zuständige Wirtschaftsminister gar nicht wie vorgesehen am Verlegeressen teilnahm.

Stattdessen erwartet den Holtzbrinck-Konzernchef heute nun sein Verlegerkollege Heinz Bauer, der den Tagesspiegel kaufen möchte und deshalb extra zur Anhörung nach Berlin kommt. Holtzbrinck behauptet bisher steif und fest, das hoch defizitäre Blatt sei trotz des vom Minister veranlassten Verkaufsverfahrens unverkäuflich und das Bauer-Angebot nicht seriös. Seit der Übernahme durch Holtzbrinck Anfang der 90er-Jahre erweise sich der Tagesspiegel als Loch ohne Boden, habe alle Sparkurse und Rationalisierungsmaßnahmen ausgeschöpf und brauche den Zusammenschluss mit der Berliner Zeitung daher als letzte Überlebensmöglichkeit. Ob der Konzern damit bei Clement landen kann, ist ungewiss. Vor allem seit dummerweise der Hamburger Bauer-Verlag am Wochenende angekündigt hat, den Kaufpreis über die bisher gebotenen 20 Millionen Euro aufzustocken.

Monopolkommission & Kartellamt: Njet

Der Spruch des Kartellamts kam an einem Donnerstag: Am 12. Dezember 2002 untersagten die Wettbewerbshüter die Übernahme des Berliner Verlags (Berliner Zeitung, Tip, Kurier) durch Holtzbrinck: Da der Stuttgarter Verlagsgruppe bereits der Tagesspiegel gehöre, entstünde eine marktbeherrschenden Stellung auf dem Lesermarkt bei regionalen Abonnementzeitungen in Berlin, hieß es zu Begründung. Die Monopolkommission, deren Gutachten Bundeswirtschaftsminister Clement bei seiner Entscheidungsfindung in Sachen Ministererlaubnis dienen sollen, kommt zum selben Schluss. Mehr noch: Ihr Sondergutachen 38 vom 1. September erteilt auch der Tagesspiegel-Verkaufsposse eine schallende Ohrfeige: Einstimmig sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Käufersuche durch eine von Holtzbrinck beauftragte Privatbank „den für die Erteilung der Ministererlaubnis erforderlichen Nachweis der Unveräußerlichkeit des Tagesspiegels nicht erbracht hat.“ Mehr noch: „Die behaupteten Gemeinwohlvorteile“ einer Fusion von Tagesspiegel und Berliner Zeitung „betrachtet die Monopolkommission nach wie vor als nicht überzeugend“. Dies gelte insbesondere für die Behauptung, „der Zusammenschluss sei notwendig für einen Erhalt des Tagesspiegels als Beitrag zur Pressevielfalt in Berlin“.

Heinrich Bauer Verlag: Will er oder will er nicht?

Ohne Vorwarnung ist der bisher eher als Bravo-Herausgeber und Marktführer im Segment der Programm- und Seichtzeitschriften bekannte Pressekonzern seit vergangenem Jahr im deutschen Medienmarkt vorgeprescht. Ausgerechnet der so zurückhaltende Verlagschef Heinz Bauer galt als aussichtsreicher Übernahmekandidat für die TV-Sender der untergegangenen KirchGruppe, bis der US-Milliardär Haim Saban kam. Obwohl Bauer bis auf eine Minderheitsbeteiligung an RTL2 bisher gar nicht im TV-Geschäft aktiv ist.

Jetzt will der Konzern den Tagesspiegel. Obwohl Bauer mit einer einzigen Ausnahme (Magdeburger Volksstimme) bisher gar nicht so richtig im deutschen Zeitungsmarkt mitmischt – und Holtzbrinck das Blatt gar nicht verkaufen will. „Das verlegerische Interesse an einer Tageszeitung in Berlin“ sei „ungebrochen“, zitiert heute der Spiegel aus einem Schreiben der Bauer-Anwälte an Clement. So viel ist richtig: Bauer hatte schon 2002 um die Berliner mitgeboten, als Holtzbrinck den Zuschlag bekam. Man erhoffe sich vom Kauf des Tagesspiegels einen „erheblichen Image- und Prestigegewinn“, so das Anwaltsschreiben.

Allerdings würde dann aus dem Tagesspiegel trotz aller Bauer-Bemühungen um „Image- und Prestigegewinn“ wohl eine erheblich abgespeckte Lokalzeitung, fürchten Insider. Denn auch im Bauer-Verlag sind keine Mäzene, sondern renditeorientierte Unternehmer am Werk.

Springer: Dr. Döpfner und Mr. Hyde

Axel Springer spielt in der Seifenoper um die Ministererlaubnis eine nicht ganz anspruchslose Doppelrolle: Einerseits positioniert man sich erbittert gegen eine solche Sondergenehmigung. Anderseits gehört Springer nach wie vor zur Speerspitze der Medienkonzerne, die das Kartellrecht und insbesondere die Pressekonzentrationsbeschränkungen aufweichen wollen. Denn im deutschen Zeitungsmarkt kann sich Europas größtes Zeitungshaus beim gegenwärtigen Stand der Kartellvorschriften nicht mehr ausdehnen.

Weil es heute um die Ministererlaubnis geht, wird Springer-Vorstand Mathias Döpfner aber den netten Dr. Jekyll geben und nochmals bekräftigen, im Falle eines positiven Entscheids durch Clement umgehend dagegen zu klagen. (Hier, aber auch nur hier sitzt die taz übrigens mit Springer im selben Boot.)

Döpfners Drohung, im ME-Fall auch umgehend Welt und Berliner Morgenpost einzustellen, ist in ihrer Drastik allerdings vom Tisch: Weil man doch gerichtlich gegen eine solche Sondergenehmigung vorgehen werde, seien „kurzfristige Veränderungen unmöglich. Das wird ein jahrelanger Prozess sein“, heißt es jetzt.

Es bleibe aber dabei, dass die Existenz beider Blätter im Wettbewerb mit einer „Berliner Tagesspiegelzeitung“ langfristig auf dem Spiel stehe. Mr. Hyde und der Kampf gegen das Kartellrecht haben zumindest heute Pause.

„Berliner Zeitung“: Zwei Jahre Ferien

Das eigentliche Objekt der Begierde droht bei der ins zweite Jahr gehenden Holtzbrinck-Soap ein bisschen aus den Augen zu geraten. Doch das war der Berliner Zeitung in Wahrheit ganz recht: Mit einem rigiden Sparkurs hat sie sich der ärgsten roten Zahlen entledigt, ohne die Qualität des Blattes zu kompromittieren. Ohne die Einmischung von ganz oben läuft’s eben auch ganz gut. Oder sogar besser.

Problematisch bleibt, dass ihre Auflage überwiegend auf die Ostbezirke Berlins beschränkt ist und hier weiterer Leserschwund droht. Außerdem hat sie soeben ihren agilen Verlagschef Torsten-Jörn Klein an ihren ehemaligen Besitzer, den zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Verlagsriesen Gruner + Jahr, verloren.

Zumindest dort ist übrigens alles im Reinen: Das so genannte Kartellrisiko, also die Haftung, falls der Deal – wie geschehen – durch die Wettbewerbshüter gekippt wird, lag von Anfang an bei Holtzbrinck.