: Edmund Stoiber verfordert sich
Der CSU-Chef will Sozialhilfeempfängern das Leben schwer machen – und schlägt Gesetze vor, die es längst gibt. Wer nicht arbeitet, soll sogar mehr bekommen
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat zwei Wochen vor der Landtagswahl in Bayern eine Reform der Sozialhilfe vorgeschlagen. Seine Forderungen in der Welt am Sonntag zeigten dabei vor allem, dass Stoiber wenig vom Sozialhilferecht versteht.
Stoibers erste Forderung: Sozialhilfe soll nur noch erhalten, wer arbeitet. Dieser Arbeitszwang gilt aber längst: „Jeder Hilfesuchende muss seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einsetzen“, heißt es in Paragraf 18 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Stoibers zweite Forderung: Findet sich keine Arbeit, muss der Sozialhilfeempfänger eine gemeinnützige Beschäftigung annehmen. Auch das steht bereits im Gesetz: „Für Hilfesuchende […], die keine Arbeit finden können, sollen [gemeinnützige] Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden.“
Stoibers dritte Forderung: Wer arbeitsfähig ist, aber dennoch nicht arbeitet, der soll statt Geldleistungen nur noch Sachleistungen erhalten. Paragraf 25 BSHG lautet: „Wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten […], hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt.“ Die Sozialhilfe wird bei der ersten Verweigerung um mindestens 25 Prozent gekürzt, beim zweiten Mal komplett gestrichen. Stoibers Forderung, dann weiterhin Sachleistungen auszugeben, würde die Situation der Betroffenen also deutlich verbessern.
Stoibers vierte Forderung: Alle zusätzlich zur Sozialhilfe gewährten Leistungen sollten wegfallen. Dazu gebe es „seitenweise Tipps im Internet, die sich wie Bestellkataloge lesen. Damit muss Schluss sein.“ Eine der Ausführlichsten dieser Listen findet sich unter www.stmas.bayern.de/fibel, der Seite des bayerischen Sozialministeriums. Detailliert werden dort zusätzliche Leistungen für Sozialhilfeempfänger wie vorbeugende Gesundheitshilfe (wie Krebsfrüherkennung), Krankenhilfe (etwa die Reha-Kur nach einem Unfall), Eingliederungshilfe für Behinderte (zum Beispiel Umschulungen) oder Altenhilfe (wie Essen auf Rädern) aufgelistet.
Erneut zeigt sich: Stoiber ist gut darin, große Töne zu spucken; die Details sind seine Sache nicht. Und so schiebt er den Menschen, die im Regen stehen, auch noch die Schuld für das schlechte Wetter in die Schuhe. In zwei Wochen ist die bayerische Landtagswahl vorbei.
SEBASTIAN HEISER