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Archiv-Artikel

Eulering nach Athen fragen

taz-Interview mit Johannes Eulering, Vize-Präsident des Landessportbundes NRW, über die Spiele in Athen, Sportförderung trotz knapper Kassen und eine erneute Olympia-Bewerbung des Ruhrgebiets

INTERVIEW: HOLGER PAULER UND MARTIN TEIGELER

Duisburg, Sportschule Wedau. Einen Tag vor dem Beginn der olympischen Spiele in Athen gab der Vize-Chef des Landessportbundes Auskunft über den Stand der Leibesübungen in NRW. In der Kantine der Sportschule herrscht Betrieb. Etwa 100 „Schalke-Kids“ aus dem Ruhrgebiet freuen sich über ihre Sommer-Fußballschule an der Wedau – und auf „Zigeunerschnitzel“ mit Pommes.taz: Herr Eulering, die Sommerspiele beginnen in Athen und Sie sind noch hier in Duisburg?Johannes Eulering: Ja, wir sehen uns das im Fernsehen an. Mein großes olympisches Erlebnis hatte ich 1992 als Gast bei den Spielen und den Paralympics in Barcelona, als zwei amtierende Königinnen einem schwerstbehinderten Schwimmer die Goldmedaille umhängten. Davon zehre ich noch.

Welche Erwartungen haben Sie aus NRW-Sicht an Athen?Beim Landessportbund sprechen wir beim Spitzensport immer nur über ein Teilsystem. Es ist nur ein Ausschnitt unserer Arbeit – wenn auch ein sehr wichtiger. Zudem habe ich aus NRW-Sicht immer ein bisschen Bauchschmerzen, wenn es um die Konkurrenz der Bundesländer geht. Wir dürfen bei 16 Ländern keine Kleinstaaterei aufkommen lassen. Spitzensport ist eine Angelegenheit der gesamten Republik. Wir sind in NRW immer sehr zögerlich mit Landeskindern als Goldmedaillengewinnern umgegangen. Das hängt auch mit der Größe unseres Landes zusammen. Jetzt stellen wir wieder über 20 Prozent der deutschen Olympiateilnehmer – wiederum mehr, als es unserem Bevölkerungsanteil entspricht.

Die neue Sportstiftung des Landes zahlt jetzt erstmals Prämien an die NRW-Athleten – immerhin bis zu 5.000 Euro pro Goldmedaille.Die neue Sportstiftung, ausgestattet mit 5,6 Millionen Euro, hat den Auftrag, den Leistungssport zu fördern, vor allem an der Schnittstelle zwischen Landes- und Bundeskadern. Wir hoffen, dadurch Impulse auszulösen, dass NRW verstärkt als Land aktiv seine Athleten fördert.

Mehr Geld von der Politik, mehr Aufmerksamkeit der Regierenden. Hilft das dem Sport?Auch Bundesinnenminister Otto Schily hat ja jetzt gesagt, er sei nicht mehr der für den Sport zuständige Minister, sondern er sei der Sportminister. Das Bewusstsein hat sich auf der Bundesebene verändert. Das Sportfördersystem wird ja bisher über die Länder und Kommunen betrieben, während der Bund eine abgeleitete Kompetenz für den Spitzensport beansprucht hat. Schily nimmt nun – in seiner unbekümmerten Art – eine größere Kompetenz in Anspruch. Der Minister hat ja auch eine nicht ganz so zurückgenommene Rolle bei den Querelen um die gescheiterte Leipziger Olympiabewerbung gespielt und ist jetzt dabei, Berlin als Anwärter für eine erneute Kandidatur weiter nach vorne zu puschen.

Bekommen wir also einen Supersportminister Schily? Hier tut Schily etwas, was der verfassungsmäßigen Struktur in der BRD nicht ohne weiteres entspricht. Im Moment tagt ja die Föderalismus-Kommission, um die überschneidenden Kompetenzen und die Mischfinanzierungen zwischen Bund und Ländern auf den Prüfstand zu stellen. Nach den Spielen von Athen sollte auch der Sport eine solche Kommission einberufen.

Welche Vorschläge würden Sie einer solchen Reform-Kommission machen?Sport sollte primär Aufgabe der Länder und Kommunen bleiben. Nach meiner Lebenserfahrung werden die Bayern bei dieser Diskussion sehr deutlich auf unserer Seite stehen. Noch gibt es keine große öffentliche Debatte über diese Probleme. Dabei ist das eine der wichtigsten Zukunftsfragen: Wie kann der zerklüftete Zentralismus des deutschen Sports zu einem gedeihlicheren Miteinander kommen? Man müsste mehr über Strukturen und Aufgaben nachdenken, statt über Personen und Fusionen, etwa des Nationalen Olympischen Komitees und des Deutschen Sportbundes.

In der Leichtathletik gibt es bereits die Forderung, das wenig effektive Stützpunktsystem auf den Prüfstand zu stellen.Nach unserem schwachen Abschneiden bei der Leichtathletik-WM in Paris vor einem Jahr haben wir mit den Verantwortlichen in diesem Bereich gesprochen. Durchaus unkonventionelle Vorschläge sind dabei herausgekommen – teils querliegend zu meiner Position in der Föderalismus-Debatte. Für den Spitzensport könnte man sich in der Tat ein geschlossenes Fördersystem vorstellen. Da müsste dann ein „Bundes-Sportminister“ bereit sein, dieses zu finanzieren.

Also ein zentralistisches Fördermodell wie zu DDR-Zeiten?Das würde ich nicht sagen. Hier geht es um die Entwicklung des Spitzensports zu einem Beruf. Im Fußball ist das ja längst geschehen. Doch auch in der Leichtathletik können Sie Spitzenleistungen nur als Berufssportler schaffen. In einer freien Gesellschaft kann man einen Beruf wählen. Das straffe und inhumane DDR-System war anders. Mir schwebt etwas Neues vor: ein Ausbildungsgang zum Spitzensportler. Die Leichtathleten müssen das begreifen, vor allem in der Konkurrenz zu den immer populäreren Spielsportarten.

Und welche Rolle spielt dann noch der Breitensport?Es wird sich vieles verändern müssen. Es gab ja auch im Fußball schon die Diskussion, ob der Verband nur mehr eine Filiale der Bundesliga, der DFL, sein könnte. Es besteht generell die Gefahr einer Spaltung zwischen Breiten- und Spitzensport – wie in anderen europäischen Ländern. Aber wir können diese Entwicklungen nicht einfach der Lebenswelt überlassen. Man muss sich über Ziele und Lösungsmodelle verständigen. Der Sport muss mit sich selbst ringen.

Nochmal zum Thema Olympia: Wird es nach dem Scheitern von Düsseldorf eine neue Bewerbung aus NRW geben?Der Weg zu einer neuen Bewerbung wird lang sein, weil für 2012 Paris gute Chancen hat. Aber den Gedanken sollte man nicht aufgeben, das wäre ein Fehler. Die Idee für Olympia in NRW wurde ja einmal im Ruhrgebiet geboren. Es war der Fehler, dass das Ruhrgebiet nicht selber angetreten ist, mit Essen oder Dortmund als Bannerträger. Düsseldorf ist eben nicht so eine Sportstadt wie das Ruhrgebiet mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern. Als es auf Düsseldorf zulief, brach die Zustimmung und Begeisterung im Ruhrgebiet ein Stück weit weg.

Nach der Olympia-Pleite gab es prompt Streit um den NRW-Sporthaushalt.Die Düsseldorfer Politik hat begriffen, dass sie zur Unglaubwürdigkeit beigetragen hätte, wenn die geplanten Kürzungen nicht repariert worden wären.

Die Beziehungen zum grünen Sportminister Michael Vesper haben unter diesem Konflikt nicht gelitten?Der Minister ist Politiker. Er weiß: politische Streitigkeiten muss man austragen und wieder miteinander kooperieren. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Er ist neulich sogar mit seiner gerissenen Achillessehne zu unseren Veranstaltungen gekommen.

Die Kürzungen wurden korrigiert, dennoch wird die Sportförderung knapper.Es wird weiter Konflikte geben, jetzt verstärkt auch in den Kommunen um die neue Sportpauschale. Wir brauchen eine neue Streitkultur im Sport – gerade in Zeiten knapper Kassen. Wenn sich ein Angehöriger der Methusalem-Generation wie ich dafür einsetzt, kämpft er für ein unvollendetes Projekt. Es gibt auch positive Tendenzen. Die Sportvereine wachsen immer noch, gewinnen teilweise sogar sprunghaft neue Mitglieder. Und die Vereine werden noch einen Wachstumsschub erleben. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Probleme können die Vereine kostengünstige und gesunde Freizeit-Angebote machen.

Vielleicht doch noch eine Prognose für Athen?Ich wünsche meinem Nachbarn Uli Feldhoff (Vize-Chef des Deutschen Sportbundes, Anm. d. Red.) viel Erfolg mit seiner Prognose, wonach die deutschen Athletinnen und Athleten den dritten Platz in der Medaillenwertung schaffen.