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Archiv-Artikel

Wahre Helden auf dem Schilder-See

Bilderbuchlandschaft, ganz privat: Ein Tag mit dem Kanu auf der Schwentine von Plön Richtung Preetz. Anlegen ist nicht erlaubt, wer baden will, muss mutig vom Boot ins Wasser springen. Aus dem Boot zu springen ist zwar auch nicht erlaubt, macht aber trotzdem Spaß

von KAIJA KUTTER

Das Wasser ist ganz klar, am Boden sieht man Muscheln, Pflanzen und kleine Fische. Schwups ist Töchterchen beim Einsteigen ins Kanu die Packung „PEZ“ aus der Hand gefallen. Die Bonsches liegen unerreichbar auf dem Grund. Nun haben sie die Fische.

Wir planten einen Tag auf der Plöner Seenplatte in einem Kanu für vier Personen, geleitet von einem versierten Ruderer, der hier schon ewig Wanderfahrten unternimmt mit seinen Kumpels aus dem Verein, oft schon bierbeseelt ab Mittag. Da habe sogar mal einer einen Sonnenstich gekriegt. Aha. Für den Familienausflug führen wir deshalb einen Sonnenschirm mit, genauer gesagt für die Mutter, weil die als erste nach Schatten quengelt.

Nur 100 Meter paddeln, dann behindert uns ein Wehr. Das Boot muss auf einen Rollwagen geleitet und kurz über Land bis zum „Unteren Mühlensee“ gezogen werden. Der ist schön, Haubentaucher gleiten am Uferschilf vorbei. Ein Steg ist zu sehen. „Wollen wir nicht gleich hier baden?“, fragt der versierte Ruderer. „Wieso?“ „Später geht das nicht. Auf der ganzen Tour ist Anlegen nicht erlaubt.“

Nun ist es raus. Wir gleiten auf den „Kleinen Plöner See“ und genießen den phantastischen Blick. Weite sommergelbe Kornfelder, grüne Wälder, eine romantische Kirche am Westufer und sogar Kühe. Hier ist die Welt in Ordung. Nur eine Autostunde von Hamburg entfernt eine Landschaft wie im Bilderbuch. Am östlichen Ufer strahlt das weiße Plöner Schloss, einst Internat, jetzt im Besitz von Fielmann. Auch eine berühmte Modeschöpferin soll hier in der Nähe ein kilometerbreites Uferstück besitzen. Es wird heiß und heißer. Der Sonnenschirm wirkt lächerlich, wird aber aufgespannt. Die Kinder wollen baden. „Dann müsst ihr einfach reinspringen“, sagt der Vater. Für die Großen geht das natürlich nicht. Mutter will im Schatten einer Insel mit den Füßen ins Nass, versinkt mit den Zehen im Modder. Also zurück ins Boot. „Kann man wirklich nirgends anlegen?“ „Ja. Ist alles Naturschutzgebiet und Privat.“

So ist es, die Kühe am Ufer dürfen sich die Füße kühlen, wir nicht. „Privat, bitte nicht betreten“, steht an fast jedem Uferstrand und jedem Steg. Für die alerte Ruderertruppe ist das natürlich nie ein Problem. „Wir springen immer nackt aus dem Boot.“ Außdem sind die ratzfatz am Ziel, bei der Brücke bei Wahlsdorf, da, wo auch wir irgendwann aussteigen dürfen und im Dorfkrug Fanta trinken.

Der Sohn klettert mühelos zurück ins Kanu, „splasch“, und wieder rein in den See, die Schwester folgt ihm nach. Wir Erwachsenen denken verantwortungsvoll an Kippeligkeit und Rückstoß und bleiben sitzen. Laut Kanuausleihvertrag ist im Boot nicht mal das Aufstehen erlaubt. Die Lösung, so meint der Tourführer, böte ein umgekippter Baum am Ufer, der mit seinen kahlen Ästen auch unterseeisch ins Wasser ragt. Toter Baum ist schließlich Niemandsland. Die Füße finden auf dem nassen Holz Halt. Während ein Erwachsener im Boot sitzend den Ast festhält, kann der andere endlich schwimmen.

Die Bootsfahrt wird schneller, dort, wo sich die Schwentine, jener Fluss, auf dem wir uns eigentlich befinden und der sich über 50 Kilometer durch Plön von Lübeck bis nach Kiel schlängelt, verengt. Nach drei Stunden wären wir in Preetz, nach zwei Stunden sind wir an der Brücke, die die Ruderer immer für ihre Dorfkrugpause nutzen. Doch frisch aufgestellte Drahtzäune und Verbotshinweise sollen uns am Ausstieg hindern. Das Schild „Nächste Einstiegsstelle 300 Meter flussaufwärts“ verweist auf einen neuen Imbiss am Ufer, den wir im Vorbeifahren geflissentlich ignoriert hatten. Doch wir sind durstig und müde. Statt gegen den Strom zu paddeln, legen wir hier illegal an. Einmal gegen die Schilder verstoßend, wird auch auf der Rückfahrt schon mal das Ufer betreten. Die Kinder baden achtmal, rufen immer wieder „ich glaub, ich bin verrückt“ und springen ins Kalte.

Am Nachmittag sind wir fast allein, uns begegnet kein Boot mehr. Die Schwentine zeigt ihre Kraft. Gegen die Fließrichtung, Meter für Meter müssen wir nun mit dem Paddel die Entfernung nach Plön zurückerobern. Wer so lange sitzt, dem schmerzt der Po. Andere Familien, so klärt uns der Ruderer auf, nähmen wohl zurück einen Shuttlebus, es gebe Bootsverleiher, die so etwas organisierten. Wir sind also wahre Helden. Ein herrlicher Tag.