: Libyen bewacht Europas Südgrenzen
Italien und Libyen vereinbaren gemeinsame Patrouillen, um afrikanische Migranten in Libyen an der Abreise in Richtung Europa zu hindern. Dies folgt auf Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer. Libyen verkündet Massenausweisung von Afrikanern
VON DOMINIC JOHNSON
Afrikanische Migranten und Flüchtlinge, die über Libyen nach Europa gelangen wollen, werden in Zukunft schon im Vorfeld abgefangen. Die italienischen und libyschen Behörden einigten sich am Donnerstag bei Gesprächen in Tripolis auf gemeinsame Patrouillen zu Wasser, zu Lande und in der Luft, um zu verhindern, dass Flüchtlingsboote mit Afrikanern an der libyschen Mittelmeerküste ablegen. Italien liefert dabei technische Unterstützung und Ausbildungshilfe.
Libyen ist aufgrund seines relativen Wohlstands seit Jahren bevorzugtes Zielland für afrikanische Arbeit Suchende. Seit andere Maghreb-Staaten ihre Grenzkontrollen verschärft haben, ist es auch das wichtigste Transitland für Afrikaner, die auf dem Land- und Seeweg nach Europa auswandern wollen. Diesen Sommer landeten wieder zahlreiche Flüchtlingsboote aus Libyen an italienischen Küsten – allein am Mittwoch waren es an der Insel Lampedusa drei mit über 200 Insassen. Im Juli hatte die deutsche Hilfsorganisation „Cap Anamur“ Aufsehen erregt, als ihr Schiff afrikanische Flüchtlinge im Mittelmeer auflas und in Italien absetzte. Deutschlands Innenminister Otto Schily hatte daraufhin vorgeschlagen, Asyllager für Afrikaner in Nordafrika einzurichten. Italien unterstützt diesen Vorschlag und will mit Deutschland eine entsprechende EU-Initiative starten.
Libyens Behörden behaupten, es gebe auf libyschem Gebiet zwei Millionen Afrikaner, die auf die Möglichkeit zur Ausreise nach Europa warten. Vor wenigen Tagen hatte Libyens Außenminister Abdelrahman Schalgham gegenüber der italienischen Zeitung La Stampa von einer „Invasion“ gesprochen und beklagt: „Einige Teile von Tripolis sind komplett unter der Kontrolle von Einwanderern. Sie zwingen uns ihre Gesetze auf, Drogen und Prostitution breiten sich aus“. Er behauptete, an Libyens Südgrenzen zu Sudan, Tschad und Niger könne man nicht unterscheiden, ob einreisende Afrikaner Migranten oder Terroristen seien.
Mit solchen Äußerungen nähert sich Libyen dem europäischen Abschottungsdiskurs an, der insbesondere in Italien immer weniger zwischen Flüchtlingen, Arbeitsmigranten, Muslimen und Terroristen unterscheidet. Italien und Libyen vereinbarten 2003, dass Italien technische Hilfe leistet, damit Libyen illegale Einwanderer besser abschieben kann. Laut Italien ermöglichte die Kooperation bereits 2.500 Abschiebungen von Libyen nach Ägypten, Pakistan, Ghana und Nigeria.
Die noch effektivere Umsetzung dieses Abkommens ist ein weiterer Teil der neuen libysch-italienischen Vereinbarung. Sie folgt auf Libyens Ankündigung einer Massenausweisung illegaler afrikanischer Einwanderer am vergangenen Sonntag. Zuletzt war das im Jahr 2000 geschehen. Seit Anfang August hat Libyen erneut zwei Gruppen von je 143 und 203 illegalen Einwanderern nach Ghana ausgeflogen. Einige von ihnen saßen bis zu drei Jahre in Abschiebehaft.