: Ein Mann der langsamen und kleinen Schritte
Der designierte palästinensische Premier Ahmed Kurei genießt in der Bevölkerung mehr Rückhalt als sein Vorgänger
Ex-US-Präsident Bill Clinton kochte vor Wut, als die Palästinenser im Juli 2000 die von Israel präsentierte Karte ablehnten, und forderte den Verhandlungschef auf, einen Alternativvorschlag zu machen: „Meine Karte ist die des 4. Juni 1967“, soll Ahmed Kurei damals geantwortet haben. Der heutige Parlamentspräsident, der auch auf den Namen Abu Ala hört, verfolgte stets eine kompromisslose Linie in den Schlüsselfragen der Friedensprozesses. Das besetzte Land müsse „bis auf den letzten Zentimeter“ befreit werden, fordert er und gilt dennoch bei den Israelis, mit denen er 1993 die Osloer Prinzipienvereinbarungen aushandelte, als moderat und pragmatisch.
„Abu Ala sucht nach Lösungen, nicht nach Konflikten“, beschreibt ihn Ron Pundak, israelischer Delegierter in Oslo. Dabei konzentriere er sich vor allem auf Detailfragen und werde, sollte er die Nachfolge von Mahmud Abbas als Premierminister übernehmen, eher „langsame und kleine Schritte machen“. Diese Strategie könnte ihm auch für den schwierigen innenpolitischen Balanceakt von Vorteil sein. Ob sie allein ein Gelingen garantieren kann, ist indes mehr als fraglich.
Das Problem Arafat, ohne den der künftige Premierminister nicht agieren kann, der aber gleichzeitig von Israel und den USA abgelehnt wird, bleibt. „Der einzige Mann, der die Ware (Friedensvertrag) liefern kann, ist Arafat“, erklärte Abu Ala im Gespräch mit dem israelischen Premierminister Ariel Scharon. In seiner Funktion als Parlamentspräsident hätte er sich zweifellos viel früher, viel stärker für Reformen einsetzen können, doch als es im vergangenen März zum Konflikt über die Kompetenzen des künftigen Premierministers kam, regte er sich dermaßen über Arafat auf, dass er kurzfristig sogar ins Krankenhaus musste. „Demokratie, Transparenz und Verantwortlichkeit waren für uns nicht mehr als schöne Worte“, gestand er damals ein und versprach, seine Anstrengungen fortan darauf zu konzentrieren, unabhängige Institutionen aufzubauen.
Abu Ala genießt, obschon auch er in den Verdacht von Korruption geriet, im eigenen Volk deutlich mehr Sympathie als sein Vorgänger. Beide sind „alte Hasen“ in der PLO, aber schon seine Herkunft – er wurde 1937 im Jerusalemer Vorort Abu Dis geboren – schafft ihm Vorteile vor dem Flüchtling Abbas. Ende der 60er-Jahre schloss sich Abu Ala der Fatah an, ging mit der PLO-Führung Anfang der 80er-Jahre nach Tunis, wurde wenige Jahre später Chef der PLO-Finanzabteilung und 1989 Mitglied im Fatah-Zentralkomitee. 1993 konzentrierte sich der gelernte Bankier auf die Erstellung eines Entwicklungsplans, der Basis für den Wiederaufbau der autonomen Gebiete wurde.
Im Gegensatz zu dem eher introvertierten Abbas gilt Abu Ala bei Palästinensern wie Israelis als charmanter, toleranter und humorvoller Mann. Die gewaltvolle Intifada lehnte er stets ab. Um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten, erarbeitete er gemeinsam mit Exaußenminister Schimon Peres Anfang 2002 ein Papier, das auch die komplette Entwaffnung der militanten Gruppen beinhaltete. Trotz der derzeit erneut hoffnungslos erscheinenden Situation glaubt er, dass auf der Basis bisheriger Vereinbarungen und Verhandlungen „innerhalb weniger Monate“ ein Friedensvertrag erreicht werden kann. SUSANNE KNAUL