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Archiv-Artikel

„Wir sind nicht für Hartz verantwortlich. Die SPD schon“

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) begrüßt den Protest gegen die Hartz-Reform, will aber selber nicht teilnehmen. Ein schlichtes „Hartz muss weg“ hält sie für eine unpolitische Parole. Sie will nun dafür sorgen, dass die Betroffenen nicht auch noch organisatorische Pleiten ausbaden müssen

taz: Frau Knake-Werner, gehen Sie an diesem Montag demonstrieren?

Heidi Knake-Werner: Nein, das mache ich nicht.

Der PDS-Landesvorstand ruft zur Anti-Hartz-Demo auf. Sie sind gegen Hartz IV. Warum gehen Sie nicht hin?

Diese Demonstration ist das Anliegen der Menschen, die direkt betroffen sind. Ich finde es gut, dass die ihren Protest zum Ausdruck bringen, aber das ist nicht mein Part als Sozialsenatorin.

Ist das auch eine Lehre aus dem Debakel um die Anti-Bush-Demo vor zwei Jahren? Damals haben Sie erst angekündigt hinzugehen, es nach Einspruch des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) aber nicht getan.

Nein, das ist in diesem Fall anders gelagert. Bei der Anti-Bush-Demonstration wäre es richtig gewesen, sich zu beteiligen. In der Auseinandersetzung um Hartz IV habe ich andere Möglichkeiten der Kritik, aber auch andere Aufgaben: Ich werde alles tun, um die Betroffenen nicht auch noch Abwicklungsprobleme ausbaden zu lassen.

Wie damals reagiert Wowereit auch bezüglich Hartz IV ziemlich giftig. Er wirft der PDS Populismus vor. Und Ihnen und Ihrem Kollegen Wolf, dass Sie Ihre Arbeit nicht richtig machen. SPD-Parteichef Müller hat sich dem angeschlossen.

Das weise ich zurück. Ich habe in den vergangenen Monaten alle Anstrengungen unternommen, um die Voraussetzungen für die Umsetzung zu schaffen. Ich mache meinen Job gut. Es macht keinen Sinn, durch Schuldzuweisungen von eigenen Problemen ablenken zu wollen. Wir sind nicht für Hartz IV verantwortlich. Die SPD schon.

Fakt ist aber, dass es in den Bezirken große Probleme mit der Umsetzung gibt: Die Jobcenter stehen noch nicht, es mangelt an Personal. Da ist doch etwas schief gelaufen.

Nein, nicht auf Landesebene. Wir haben gemeinsam mit den Bezirken unsere Hausaufgaben, so gut es geht, erledigt. Aber viele Dinge sind auf der Bundesebene immer noch nicht geregelt. Zum Beispiel ist das Geld für die Infrastruktur noch nicht freigegeben. Deshalb können Bezirke noch keine Verträge über Immobilien machen.

Aber das zusätzliche Personal, das die Daten der künftigen Arbeitslosengeld-II-Bezieher in den Computer eingeben soll, soll aus dem Stellenpool des Landes kommen. Da gibt es ein Problem.

Ja, das stimmt. Das müssen wir gemeinsam mit dem Finanzsenator hinkriegen.

„Hartz IV ist Armut per Gesetz“, steht auf den PDS-Plakaten in Brandenburg. Sie setzen das um. Ist das ein Problem für Sie?

Ich halte die Absenkung von Alg II auf Sozialhilfeniveau in der Tat für ein großes Problem, weil es für viele Menschen einen rasanten sozialen Abstieg bedeutet und ich fürchte, dass in Berlin die Armutsquote weiter in die Höhe geht. Aber ich bin Politikerin genug um zu wissen, dass man die Auseinandersetzungen vor der Verabschiedung eines Gesetzes führen muss. Der Kampf ist nun ein Stück weit verloren, das Gesetz ist da, und ich in der Regierung muss es umsetzen.

Sie haben mal in einem taz-Interview gesagt: „Es kann irgendwann der Punkt kommen, an dem ich denke: Jetzt ist Schluss, das kann ich nicht mehr vertreten.“ Ist Hartz IV nicht so ein Punkt?

Es ist natürlich immer ein Abwägungsprozess. Das Amt heute zur Disposition zu stellen, kann ich niemandem erklären. Die Probleme der Hartz-Gesetze sind mir schließlich nicht neu. Den Betroffenen hilft da eher eine Sozialsenatorin, die sich der Probleme bewusst ist und sich dafür einsetzt, dass zumindest keine organisatorischen Pleiten auftreten.

Welche Spielräume gibt es auf Landesebene?

Zum Beispiel werden wir die Frage der Angemessenheit von Wohnraum in Berlin selbst regeln müssen. Da wollen wir die Übergangszeiträume möglichst lang machen.

Wie lang?

Zwei Jahre wären sinnvoll.

Sieht Ihr Koalitionspartner das auch so?

Die SPD will auch keinen Umzugswanderzirkus in Gang setzen. Aber wir müssen noch vieles aushandeln, und natürlich geht es auch um Geld. Das gilt vor allem auch für kommunale Beschäftigungsprogramme.

In den östlichen Bundesländern, in denen bald Wahlen anstehen, bringt die Parole „Hartz muss weg“ der PDS Stimmen …

… was eine griffige, aber heute – weil viel zu allgemein – eine unpolitische Parole ist.

Warum?

Hartz IV ist da. Jetzt muss der Kampf konkret geführt werden und sich auf die größten Härten des Gesetzes richten: Es geht um Korrekturen zum Beispiel bei der Anrechnung der Altersvorsorge und bei den Zumutbarkeitskriterien. Das ist politisch.

Dennoch: Diese Parole wird der PDS in Brandenburg und Sachsen Stimmen bringen, in Berlin könnte es anders sein. Wenn die Leute im Januar ihr Geld nicht kriegen, wird Ihnen das angelastet. Nach dem Motto: Das haben die beiden zuständigen PDS-Senatoren nicht hingekriegt.

Ja, wenn. Die Betroffenen interessiert nicht, ob Bundesminister Clement da zu lange gebraucht hat oder die Union ständig blockiert hat. Wenn sie ihr Geld nicht bekommen, wenden sich die Betroffenen an die Verantwortlichen vor Ort. Aber wir werden es hinkriegen.

Interview: Sabine am Orde