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Archiv-Artikel

Iranische Bahai warten auf ihren Prozess

Sieben Führungsmitglieder der religiösen Minderheit sollen wegen Spionage für Israel vor Gericht gestellt werden. Ihr spirituelles Zentrum liegt in Haifa. Für die Schiiten sind sie Abtrünnige. Sie wurden seit Gründung ihrer Gemeinschaft verfolgt

VON BAHMAN NIRUMAND

Sieben führende Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Bahai im Iran sitzen seit Monaten im Gefängnis und warten auf ihren Prozess. Der Teheraner Staatsanwaltschaft zufolge werden sie unter anderem der Spionage für Israel beschuldigt. Der stellvertretende Staatsanwalt Hassan Haddad kündigte den Prozess gegen die „Mitglieder der illegalen Organisation“ für die nächsten Tage an. Neben der Spionagetätigkeit „für Zionisten“ werde den Angeklagten vorgeworfen, islamische Heiligtümer beleidigt und Propaganda gegen die Islamische Republik betrieben zu haben.

Nach Angaben der Bahai-Gemeinde in Deutschland waren die sieben Männer und Frauen mit Kenntnis und Duldung der iranischen Regierung seit Jahren damit befasst, eine Art „religiöse Notverwaltung“ der über 300.000 iranischen Bahai zu ermöglichen. Sie wurden bereits am 5. März beziehungsweise am 14. Mai 2008 durch Mitglieder des Geheimdienstes festgenommen und befinden sich seitdem in dem berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis ein. Die Verteidigung der Angeklagten hat die Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi übernommen. Doch ihr wurde bislang jeglicher Kontakt zu ihren Mandanten verwehrt.

Die Europäische Union drückte „ihre tiefe Sorge angesichts der schwerwiegenden Anklage“ aus. Die derzeitige tschechische EU-Ratspräsidentschaft äußerte die Befürchtung, dass den „Bahai-Führern kein fairer Prozess gemacht“ werde. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ aus Protest den Geschäftsführer der iranischen Botschaft ins Kanzleramt einbestellen.

Zu den zahlreichen Protesten aus dem Ausland sagte der iranische Regierungssprecher Haddad Adel: Das „Schild der Bahai“, das seit Jahres gegen die Islamische Republik hochgehalten werde, sei inzwischen „verrostet und alt“. Niemand könne einem Staat das Recht absprechen, für seine nationale Sicherheit zu sorgen.

Die Bahai-Religion stammt zwar vom schiitischen Islam ab, beruft sich jedoch auf den 1819 in der südiranischen Stadt Schiraz geborenen Baha Ullah. Im Gegensatz zu Schiiten, die Mohammed als den letzten Propheten betrachten, vertrat Baha Ullah die Auffassung, die Offenbarung sei ein fortschreitender Prozess, der nie enden werde. Demnach müsse die Religion sich ständig weiterentwickeln, um sich den Veränderungen in der Welt anzupassen. Die Menschheit müsse ihre neu gewonnenen Erkenntnisse einsetzen, um Gott, der sich in Zyklen offenbare, zu begreifen und ihm näher zu kommen. Friede, Humanismus und Nächstenliebe gehören zu den zentralen Zielen des Bahai-Glaubens. Eine Religion, die zu Zwietracht führe, verfehle ihren Zweck. Daher sei es besser, ohne sie zu leben, lehrte Baha Ullah.

Inzwischen gibt es weltweit über fünf Millionen Bahai. Ihr spirituelles Zentrum liegt in der israelischen Stadt Haifa. Gerade dieser Umstand liefert den Vorwand für den Spionagevorwurf, obwohl das Zentrum lange vor der Gründung des Staates Israels in Haifa angesiedelt wurde.

Im Iran bilden die Bahai die größte Gemeinde unter den religiösen Minderheiten. Aus der Sicht der Schiiten sind sie Abtrünnige, die seit der Gründung ihrer Glaubensgemeinschaft verfolgt wurden. Es gab aber immer wieder Phasen der Beruhigung und Duldung.

Die Islamische Republik nahm die Verfolgung wieder auf, es kam zu zahlreichen Hinrichtungen, viele Bahai wurden enteignet, ihre bürgerlichen Rechte eingeschränkt. Tausende flüchteten ins Ausland. Dem folgte in den Neunzigerjahren eine Phase relativer Ruhe. Mit der Amtsübernahme Präsident Ahmadinedschads wurde die Verfolgung verstärkt wieder aufgenommen.

Die jüngste Verhaftungswelle war für 234 zumeist im Ausland lebende iranische Akademiker, Schriftsteller, Künstler und Journalisten Anlass zu einem offenen Brief. Unter dem Titel „Wir sind beschämt“ fordern sie, das „150-jährige Schweigen über die Unterdrückung der Bahai“ zu brechen. „Als Iraner sind wir beschämt, da die Bahai-Bürger unseres Landes seit anderthalb Jahrhunderten ihrer Rechte im Iran beraubt werden“, heißt es in dem Schreiben. „Wir glauben fest daran, dass jeder Iraner ohne jegliche Unterscheidung etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder geistiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen über die Rechte verfügen muss, die jedem Menschen zustehen, so wie diese in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert sind.“