: „Ohne Fisch und ohne Cash“
Die reichen Länder müssen ihre Kapazitäten senken, sagt Karoline Schacht vom WWF
KAROLINE SCHACHT, 37, ist Meeresbiologin und Fischereiexpertin der Deutschland-Sektion des World Wide Fund for Nature, WWF.
taz: Frau Schacht, wie wichtig ist weltweit gesehen Fisch für die Ernährung?
Karoline Schacht: Sehr wichtig, etwa eine Milliarde Menschen weltweit sind abhängig von Fisch als primärer Eiweißquelle. Und der Bedarf wächst mit dem Anstieg der Weltbevölkerung.
Wer leidet am meisten unter überfischten Meeren?
Die Menschen im reichen Norden können Fisch als Nahrungsmittel leicht ersetzen, dass können die im Süden nicht. Dort steht dann gleich die Ernährungssicherheit auf dem Spiel. Dazu kommt, dass die wohlhabenden Fischereinationen im Norden, wie Japan oder Island, ihre Fischgründe gut überwachen und sich ihren Reichtum nicht nehmen lassen.
Das können arme Länder nicht?
Nein. So verkaufen viele westafrikanische Länder ihre Fischereirechte zu unvorteilhaften Bedingungen an die Europäische Union. Deren Fangflotten fischen dann in großem Maßstab mit industriellen Methoden die Gewässer leer, und auf dem lokalen Markt fehlt dann das Angebot.
Können wir in Europa unseren Bedarf an Fisch selber decken?
Bei weitem nicht. 40 Prozent des in der Europäischen Union konsumierten Fisches stammt aus der EU, 60 Prozent werden importiert. In Deutschland ist das Verhältnis noch krasser, wir führen 85 Prozent unserer Fische ein. Allerdings sind dabei auch Exporte etwa aus Norwegen enthalten.
Wie könnte eine gerechte Fischereipolitik aussehen?
Zunächst müssten die reichen Länder des Nordens sich ernsthaft für eine nachhaltige Fischerei einsetzen und zum Beispiel die Fangkapazitäten ihrer Flotten an das tatsächliche Angebot anpassen. Denn noch immer wird zu viel Fisch gefangen. Zudem verkaufen viele Nationen mit reichen Fischbeständen ihre Waren zu billig. Bisweilen kommt es zu Tauschgeschäften wie „Fisch gegen Öl“. Hier muss es mehr Zugangsgerechtigkeit geben.
Wie denn?
Zum Beispiel könnte die EU-Kommission mit gutem Beispiel vorangehen und in all ihren Verträgen das Geld, das sie für Fangrechte bezahlt, an ein nachhaltiges Fischereimanagement knüpfen. Das macht sie zwar schon – Mauretanien etwa erhält 86 Millionen Euro für Fangrechte, wovon rund ein Fünftel an Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Fischerei gebunden sind. Doch wird die Abmachung kaum kontrolliert. Schließlich stehen die Küstengemeinden ohne Fisch da – und ohne Cash.