: Dräger macht Ernst
Keine Philosophie, keine Völkerkunde, keine afrikanischen Sprachen mehr: Uni soll Vereinbarung unterschreiben, die Halbierung der Kultur- und Geisteswissenschaften vorsieht. Von 155 Professuren in rund 50 Studiengängen blieben noch 77,5
von Kaija Kutter
Zwischen der Uni Hamburg und dem Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) gibt es Zank um die Zukunft der Geisteswissenschaften. Wie der Fachschaftsrat des Fachbereichs Geschichte gestern publik machte, liegt bereits seit Juni ein „Entwurf“ für eine Ziel- und Leistungsvereinbarung (ZLV) der Behörde vor, in dem die Halbierung der 155 Professorenstellen in den Sprach-, Kultur- und Geisteswissenschaften auf 77,5 Stellen bis 2012 verlangt wird. Nach Berechnungen der Uni würde dies etwa heißen, dass kein einziger Lehrstuhl in Philosophie und nur vier in Geschichte übrig bleiben. Von den asiatischen und afrikanischen Sprachen würden nur Japanologie und Sinologie überleben, bei den Kulturwissenschaften würden Fächer wie Ethnologie und Völkerkunde dichtgemacht. Betroffen von der Halbierung sind rund 50 Studiengänge in den vier Fachbereichen 07 (Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft), 08 (Philosophie und Geschichtswissenschaft), 09 (Kulturgeschichte und Kulturkunde) und 10 (Orientalistik/Asien-Afrika-Institut).
Wird das Papier, das unter www.fsrgeschichte.de.tf nachzulesen ist, umgesetzt, würden „die Geisteswissenschaften zerschlagen“, erklärt Knut Hickethier. Zu Detailfragen will sich der Sprecher der Dekane dieser Fachbereiche nicht äußern, ehe sich im September der Hochschulrat damit befasst hat. „Die Gespräche sind noch in einem Stadium der Vertraulichkeit“, bittet Uni-Sprecher Peter Wiegand um Verständnis, dass sich Präsident Jürgen Lüthje nicht äußert. Den Studierenden geht diese Zurückhaltung zu weit. „Die Professoren wollten es ja nicht glauben. Aber Dräger macht jetzt Ernst und setzt die Vorschläge der Dohnanyi-Kommission voll um“, erklärt Golnar Sephernia vom Fachschaftsrat Geschichte.
In der Tat konnte man Drägers öffentliche Äußerungen in der heißen Diskussionsphase um die Dohnanyi-Vorschläge als Entwarnung deuten. So erklärte er im taz-Interview im März 2003: „Den Geisteswissenschaften wird kaum Geld weggenommen. Die Kommission will die Betreuung um 65 Prozent verbessern, um den Studienerfolg zu erhöhen. Das heißt: Fast so viele Professoren wie bisher bilden weniger Studierende aus. Tatsächlich machen die Einschnitte mit 5 bis 6 Millionen Euro nun ein Vielfaches von Dohnanyi vorgeschlagenen Kürzung aus.
Nicht so recht bei seinem Wort bleibt der Senator aber auch noch in einem zweiten Punkt. Die Dohnanyi-Kommission hatte Quoten für den Übergang vom ersten berufsqualifizierenden Bachelorstudium zum wissenschaftlich vertiefenden Masterstudium festgelegt. Nach heftiger Debatte verkündete Dräger schließlich im Juni 2003, als er „Leitlinien“ für seine Hochschulreform festlegte: „Übergangsquoten werden nicht festgelegt.“
Doch überraschenderweise sind die Quoten im Entwurf der ZLV in Gestalt von „Annahmen“ für die Ressourcenplanung wieder drin. Lediglich 168, sprich 19,2 Prozent, der künftig nur noch 850 Studienanfänger in den Geistes- und Kulturwissenschaften sollen ihr Glück im Masterstudium versuchen. Das spart Professorenstellen.
„Wir geben natürlich keine Übergangsquote vor“, hält Behördensprecherin Sabine Neumann dagegen. Bei der Zahl 168 handle es sich lediglich um eine „plausible Annahme“, die sich an der gegenwärtigen Absolventenquote orientiere. Auch sei die Halbierung der Lehrstühle kein Widerspruch zu früheren Dräger-Aussagen. Denn inzwischen habe die Behörde beim Hochschulinformationszentrum HIS ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches zu dem Schluss komme, dass eine höhere Studienerfolgsquote auch mit einer „veränderten Personalstruktur“ zu erreichen sei.
In einer internen Stellungnahme der vier Dekane, die an der Uni kursiert, wird dieses HIS-Gutachten zerpflückt. So sieht HIS für die Fächergruppe einschließlich der Theologie eine Absenkung der Studierenden um 58 Prozent vor – bei teilweise noch schlechterer Betreuung. Auch gehe HIS von einer „unsinnigen“ Studienstruktur aus, die dazu führe, dass Skandinavisten „mit Romanisten Italienisch lernen“. „Es geht also gar nicht um eine Verbesserung der Lehre, sondern allein um eine Reduktion der Geisteswissenschaften“, heißt es in dem Dekane-Brief, der schon im Juli an Dräger ging und ohne Antwort blieb.