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Archiv-Artikel

Ex-Senatoren mit schlechtem Gedächtnis

Der ehemalige Stadtentwicklungssenator Strieder (SPD) findet das Tempodrom klasse. Nachfragen aber blockt er im Untersuchungsausschuss ab. Dafür erklärt sich der einstige Wirtschaftssenator Branoner (CDU) für verantwortlich

So richtig kommt er nicht voran, der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Tempodrom. Auch nach dem prominenten Zeugenaufgebot der gestrigen Sitzung ist nicht klar, wie es zur Kostenexplosion bei dem 33-Millionen-Bau am Anhalter Bahnhof kam und wer die Reißleine hätte ziehen müssen. Peter Strieder (SPD), im April als Stadtentwicklungssenator zurückgetreten, mochte sich nicht befragen lassen. Wolfgang Branoner (CDU), von 1999 bis 2001 Wirtschaftssenator, mochte sich an vieles nicht erinnern. „Manche Leute haben für ihr jugendliches Äußeres ein auffallend schlechtes Gedächtnis“, witzelte Oliver Schruoffeneger (Grüne).

Der frühere Kreuzberger Bürgermeister und heutige Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) schließlich war sichtlich bemüht, Strieder als treibende Kraft hinter dem Tempodrom-Neubau zu nennen. Doch neu war das auch nicht. Ausschusschef Michael Braun (CDU) gab gestern die Hoffnung auf ein rasches Untersuchungsende auf. Mindestens ein Jahr noch werde der Ausschuss arbeiten müssen, sagte er der taz.

Exsenator Strieder, jetzt bei einer PR-Firma unter Vertrag, kam äußerlich locker in die Sitzung, las dann gut 20 Minuten lang eine Erklärung vor, blockte Nachfragen wegen der parallelen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ab – was Erinnerungen an einen ähnlichen Auftritt Ende Februar im Abgeordnetenhaus weckte: Damals hatte Strieder sich in ähnlicher Form zu den Vorwürfen geäußert, bloß noch länger.

Sein gestriger Tenor entsprach seinen ersten Worten: „Gut, dass wir das Tempodrom haben.“ Dass es finanziell aus dem Ruder lief, habe nicht das Land, sondern die Landesbank zu verantworten und auch die Tempodrom-Macher Irene Moessinger und Norbert Waehl. Ansonsten hatte er viel Lob für die beiden, gegen die ebenfalls die Staatsanwaltschaft ermittelt: Beide hätten Mut bewiesen, Kreativität und Unternehmergeist gezeigt. „Solche Leute braucht Berlin, ohne solche Leute kann Berlin nicht leben“, meinte Strieder. Der Landesbank-Tochter IBB hingegen warf er vor, sie habe ihn nicht über neue Erkenntnisse zu Fehlbeträgen informiert.

Branoners Auftritt vermittelte zumindest einen Eindruck davon, wie es zu seinen Zeiten in der Wirtschaftsverwaltung des Senats aussah. Denn von vielem, was in seiner Behörde passierte, hatte der Mann an der Spitze nach eigenen Worten nur ungenaue Kenntnis. Zur Tempodrom-Finanzierung könne er im Detail nichts sagen, von Schwierigkeiten sei ihm damals nichts bekannt gewesen, ein zentrales Gutachten zu einer späteren Landesbürgschaft will er selbst nicht gekannt haben. Mit der Bürgschaft, die laut Branoner korrekt zustande kam, sicherte der Senat im Jahr 2000 einen 25-Millionen-Mark-Kredit der IBB ans Tempodrom ab.

Sowohl Branoner als auch der CDU-Sprecher im Ausschuss, Uwe Goetze, waren sichtlich bemüht, diese Bürgschaft – inzwischen für die Staatsanwaltschaft von großem Interesse – als eine unter vielen darzustellen, um die sich der Senator nicht sonderlich kümmern musste. „Die politische Verantwortung liegt natürlich bei mir“, sagte Branoner zwar. Doch was nach Lastenschultern klingt, kostet ihn nichts: Denn als Konsequenz zurücktreten kann er nicht, weil er weder Senator noch Abgeordneter ist. STEFAN ALBERTI