piwik no script img

Archiv-Artikel

Mit einer Stimme für Europa

Außenkommissar Chris Patten wirbt für ein gemeinsames Auftreten der EU bei der UNO. Mehrheitsentscheidungen soll es dabei aber auch weiterhin nicht geben

BRÜSSEL taz ■ Innerlich hat EU-Außenkommissar Chris Patten mit der Brüsseler Episode in seiner Karriere wohl schon abgeschlossen. Als er gestern das 30-seitige Papier der Kommission zum künftigen Verhältnis der Europäischen Union zur UNO vorstellte, sprach nicht der scharfzüngige Politprofi. Es war eher der abgeklärte Elder Statesman und künftige Kanzler der Uni Oxford, der den europäischen Staatschefs in seinem letzten Amtsjahr noch ein paar weise Bemerkungen ins Stammbuch schreiben will.

In einen Satz gefasst, enthält das Kommissionspapier eine nahe liegende, aber – wie die Irak-Erfahrung gezeigt hat – schwer zu verwirklichende Forderung: Die EU soll künftig in der UNO mit einer Stimme sprechen. Auf die Frage, ob eine Ausweitung der qualifizierten Mehrheit im Rat diesen Prozess beschleunigen könnte, antwortete Patten: „Bei der Irakkrise hätte auch die qualifizierte Mehrheit nicht weiter geholfen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, eine Frage von so zentralem nationalem Interesse mit Mehrheit entscheiden zu lassen. Für jeden Außenminister käme das einem Harakiri gleich.“

Mehr Einigkeit soll vielmehr durch eine Reform der Institutionen und der Entscheidungsabläufe erreicht werden. So sollen die für Außenpolitik zuständigen Ausschüsse des Rates künftig frühzeitig eine einheitliche Position zu Fragen erarbeiten, die dann auch bei der UN auf die Tagesordnung kommen. Das Papier ruft auch in Erinnerung, dass Artikel 19 des EU-Vertrages schon jetzt vorschreibt, die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates müssten ihr Handeln abstimmen und möglichst mit einer Stimme sprechen.

Nach seiner Einschätzung der aktuellen Lage im Irak gefragt, antwortete Patten: „Wer im öffentlichen Leben steht, sollte der Versuchung zu selbstgefälliger Rechthaberei widerstehen. Aber der ehemalige britische Außenminister Robin Cook hatte Recht mit seinen Warnungen. Jetzt allerdings müssen wir alle dazu beitragen, im Irak eine stabile Lage zu schaffen.“

Ob er mit seinem UNO-Papier nicht im Reservat des Hohen Repräsentanten für Außenpolitik Javier Solana wildere, wurde Patten mehrfach gefragt. „Kein Blatt Zigarettenpapier“ passe in dieser Frage zwischen sie, antwortete der Brite. Der künftige europäische Außenminister könne sich glücklich preisen, wenn er mit sich selbst so im Reinen sei wie er und Solana: „Wir sind Zwillinge im Geiste und in unseren politischen Ansichten.“

Am Morgen hatte Javier Solana vor Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments und Abgeordneten aller Mitgliedsstaaten seine eigenen Vorstellungen erläutert. Er hatte dabei betont, dass auch die UNO sich reformieren müsse. Wenn die Europäische Union künftig eine größere Rolle spielen wolle, müsse sie ihre Kräfte bündeln. „25 Staaten, die jedes Jahr 160 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben, müssten mehr zustande bringen“, sagte Solana.

Militärisches Handeln sei aber nicht das Wichtigste. Vor allem der Austausch von Informationen, die Zusammenarbeit der Geheimdienste, Konfliktprävention und Polizeizusammenarbeit müssten verstärkt werden. Bislang seien nur zwei Länder in der Lage, multilaterale Einsätze in ihren Hauptquartieren zu organisieren – Frankreich und Großbritannien. Es zeichne sich aber ab, dass auch Deutschland bald die Federführung für europäische Einsätze übernehmen könne. DANIELA WEINGÄRTNER