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Archiv-Artikel

Eine Schule jenseits der Raster

Nach dem Vorbild der preisgekrönten Bremerhavener „Werkstattschule“ will die Bildungssenatorin in allen Bremer Stadteilen „Werkschulen“ anbieten für die, die sonst keine Chance haben

VON KLAUS WOLSCHNER

60 SchülerInnen der Bremerhavener „Werkstattschule“ wurden gestern im Bremer Rathaus mit einem offizieller Empfang geehrt. Der Anlass: Die „Tonnendachschule“, wie sie im Volksmund genannt wird, hat den Sonderpreis der Robert-Bosch-Stiftung im Rahmen des deutschen Schulpreises 2008 erhalten. Drei Tage haben die Schul-Experten in Bremerhaven verbracht – und waren offenbar begeistert von dieser Schule, die in kein übliches Raster passt.

Lukasz Wischnewski ist Azubi an der Werkstattschule. Er habe in der neunten Klasse die Sekundarschule „geschmissen“ sagt er, ohne Abschluss – kein Bock auf Lernen. Solche hoffnungslosen Fälle werden in Bremerhaven der Werkstattschule zugewiesen, dort kam er in die Gruppe der Zimmerer. Eine Sozialpädagogin kümmert sich um alle Fragen des Lebens, die die Jugendlichen allein nicht lösen können, sie bekommen Arbeit – und möglichst ernsthafte Arbeit, für die die Auftraggeber auch an die gemeinnützige Schul-GmbH zahlen. Und ganz nebenbei lernen sie auch etwas – Pünktlichkeit, Benehmen, Rechnen, Aufschreiben, Planen. Vier Tage Lernen bei der Arbeit, nur einen Tag auf der Schulbank. Für einen Sportverein haben die von der Werkstattschule das ganze Vereinsheim gebaut, erzählt Lukasz stolz.

Bremen will so etwas Ähnliches jetzt aufbauen, sagte gestern die Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD), und hatte zu ihrer Pressekonferenz den Gründer der Bremerhavener Schule, Gerd Liersch, sowie zwei SchülerInnen eingeladen. Die Schulträger haben den Preis bekommen, so schreibt die Jury, „für ihren Mut, mit jungen Menschen um einen neuen Anfang zu kämpfen, der in die Zukunft trägt, und dazu, wenn es sein muss, alles umzubauen – einschließlich der Schule“. Denn die Werkstattschule ist nicht in erster Linie ein fester Ort, sondern ein „kompetenzförderlicher Verbund von pädagogischen Überzeugungstätern und Trainingsstationen“. Gewohnte Unterrichtsmuster seien aufgehoben und „zu individuellen Angeboten neu arrangiert“, die Schule kooperiert mit Jugendhilfe und Betrieben „quer zu üblichen Pfaden“.

Ziel sei die „Berufsschulreife“ nach zwei Jahren, formuliert Schulleiter Liersch, vor allem aber, „dass sie ihr Leben in den Griff kriegen“, der Hauptschulschluss ist da „inklusive“. Für alle, die an den normalen Institutionen durch die Raster fallen, werden da Auffang-Netze gespannt, auch für jugendliche Mütter. Auch das beeindruckte die Jury. Sogar beim Senatsempfang waren die Babys selbstverständlich dabei.

In Bremen sollen im Herbst über die ganze Stadt verteilt sechs Gruppen mit jeweils acht SchülerInnen als „Werkstattschule“ angeboten werden, erklärte die Bildungssenatorin gestern. Im Unterschied zu Bremerhaven sollen SchülerInnen nach der 8. Klasse aufgenommen werden – also nicht erst, „wenn alles zu spät ist“.