: Four To The Floor Next Door
Ein Haufen kleiner Menschlein stemmt zusammen ein riesengroßes T: Mit einem Guerilla-Gig eröffnen The Whitest Boy Alive eine Ausstellung ihres Band-Artworks
„Ich stehe immer noch unter Strom“, sagt Marcin Öz. Marcin spielt Bass bei der Berliner Band The Whitest Boy Alive, und unter Strom steht er, wenn er ans Wochenende zurückdenkt. Parallel zum Release von „Rules“, dem zweiten Album der Band, begann da eine Ausstellung mit Zeichnungen des Künstlers Geoff McFetridge. Der zeichnet seit der ersten Platte „Dreams“ die kleinen Bilder, die auf allem drauf sind, was es von The Whitest Boy Alive so gibt: CDs, Schallplatten, T-Shirts, Plakate und so weiter. Zur Eröffnung spielte die Band ein Konzert. Im Schaufenster des Ausstellungsraums, am Nachmittag, nur angekündigt über Myspace und ganz kurzfristig im Radio. Ein Guerilla-Gig.
„Es war der Wahnsinn“, sagt Marcin und grinst. Eine Stunde vor Konzertbeginn ist der Bürgersteig in der Max-Beer-Straße leer. Fünf Minuten später kommt kein Auto mehr durch, selbst Fahrradfahrer haben Probleme: die ganze Straße ist voller Menschen. Dreihundert, vierhundert? Schwer zu sagen. Eng drängen sie sich vor dem Schaufenster, einige sind auf Baugerüste geklettert, es herrscht euphorische Stimmung, selbst die unbekannten neuen Songs werden bejubelt. Auf „Rules“, der neuen Platte des Seiten- oder mittlerweile Hauptprojekts des King Of Convenience Erlend Øye, hört man wieder klare, schlichte Indiepopsongs. Schlicht, aber extrem tanzbar. Die Band spielt zwar auf den konventionellen Instrumenten einer Popband, hat ihre Songstrukturen aber aus der House Music abgeschaut. Es geht um Repetitionen und um Loops, mithin sind The Whitest Boy Alive so etwas wie Four To The Floor in Indiepop. Und obwohl die Musik sehr minimalistisch ist, hat das Ganze einen fast unverschämten Groove. Die Max-Beer-Straße wird zu einer großen Tanzfläche.
Die Arbeiten des amerikanischen Künstlers Geoff McFetridge passen nicht nur deswegen so gut zur Musik von The Whitest Boy Alive, weil er gerne schwarze Umrisslinien auf ganz viel Weiß zeichnet. Aber auch. Aus Zufall treffen die Band und der Künstler 2004 in einem Klamottenladen in Berlin-Mitte zum ersten Mal aufeinander. „Geoff bemalte da live T-Shirts“, erzählt Marcin Öz, „wir haben zugesehen und waren fasziniert von seinem Stil. Das waren klare, minimalistische Zeichnungen, die wie Comics aussahen, mit kleinen Botschaften untendrunter.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte der in Los Angeles lebende Kanadier McFetridge bereits den Vorspann für Sofia Coppolas Film „The Virgin Suicides“ designt. Seitdem zeichnet er für The Whitest Boy Alive.
Die Ausstellung zeigt nun die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit. Neben verschiedenen Covern des ersten Albums „Dreams“ sind vor allem die 24 Bilder interessant, die auch im Booklet von „Rules“ abgebildet sind. „Jedes Bild basiert auf dem Album“, erklärt Marcin. „Wir haben Geoff unsere Musik geschickt, er hat dazu gemalt.“ Die Ergebnisse sind so wundersam einfach wie beeindruckend. Nur schwarzer Filzstift auf weißem Grund, der Titel jedes Bildes steht unter der Zeichnung, der Albumtitel „Rules“ entpuppt sich als roter Faden. Da ist zum Beispiel das Bild einer Hand mit sechs Fingern. Es heißt „Liar“. „Teamwork“: Ein Haufen kleiner Menschlein stemmt zusammen ein riesengroßes T. Oder „Big City“: Viele verschiedene Stühle und Hocker stehen chaotisch auf einem Haufen, und nur, wenn man genau hinschaut, erkennt man das winzige Männchen, das auf dem größten Stuhl sitzt. Vielleicht sind die Details das Beste an den Zeichnungen, vielleicht ist es die Verbindung mit der Musik von The Whitest Boy Alive. BENJAMIN WEBER
Bis 17. März, Zeichnungen von Geoff McFetridge, IC Berlin, Max-Beer-Straße 17, Mo.–Sa. 11–20 Uhr