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Archiv-Artikel

Allein gegen die großen Drei

Eine ganz große Koalition in der Bürgerschaft verteidigt die Erhöhung der Fraktionszuschüsse. FDP-Vertreter Willy Wedler hält den Griff in die Staatskasse dagegen für „politisch unanständig“ – als Einziger pflichtet ihm ausgerechnet DVUler Tittmann bei

Bremen taz ■ Nur wenige Themen nerven Volksvertreter so, wie die verbreitete Klage über zu hohe Diäten oder Zulagen. In der letzten Woche hatten die Fraktionen von SPD, CDU und Grünen beschlossen, sich – nach der Verkleinerung der Bürgerschaft von 100 auf 83 Sitze – die Zuschüsse für ihre Geschäftsstellen und das dortige Personal um 607 Euro pro Abgeordnetem und Monat zu erhöhen. Außerdem war der CDU nach ihren großen Stimmverlusten bei der letzten Wahl ein Zubrot von knapp 40.000 Euro bewilligt worden.

Der Abgeordnete Willy Wedler, FDP-Einzelkämpfer ohne Fraktion, hatte deshalb für die gestrige Plenarsitzung einen „Dringlichkeitsantrag“ eingebracht. Der Liberale hält die Erhöhung der Fraktionszuschüsse und die Ausgleichs-Zahlung an die CDU für „überflüssig und politisch unanständig“. Beides passe nicht in die von Leistungskürzungen geprägte haushaltspolitische Situation Bremens. Die Politik könne doch nicht die Bürger aufs Sparen einstellen und sich selbst davon ausnehmen, schimpfte Wedler. Falls Erhöhungen unbedingt nötig wären, müsse das „bei den normalen Haushaltsberatungen im Lichte der übrigen Notwendigkeiten diskutiert werden“.

In einer kämpferischen Rede wies SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen die Angriffe Wedlers scharf zurück. Die Bremer Parlamentarier würden keinesfalls „in einem Luxus-Palast in tiefen Sesseln“ sitzen und „sich die Taschen vollstopfen“. Zu einer lebendigen Demokratie gehöre gewiss „ein gesundes Misstrauen gegenüber denjenigen, die in öffentliche Ämter gewählt“ worden seien, so Böhrnsen. Ihn ärgere aber, wenn berechtigte Kritik zusammengerührt werde mit einer „Vorurteilsstruktur“, nach der „wir uns hier im Parlament ein warmes Plätzchen sichern, während überall sonst der kalte Wind des Sparens weht“. 17 Abgeordnete weniger bedeute nicht, „dass unsere Aufgaben um 17 Prozent weniger werden oder dass wir die Verwaltung um 17 Prozent weniger zu kontrollieren haben“, argumentierte der SPD-Mann.

CDU-Fraktionschef Jörg Kastendiek warf Wedler vor, sich „aus opportunistischen Beweggründen“ profilieren zu wollen: „Man merkt, Herr Wedler, in Bremerhaven ist Wahlkampf.“ Gerade die zahlreichen berufstätigen Abgeordneten im Halbtagsparlament der Bürgerschaft seien auf die Unterstützung der Fraktionsgeschäftsstellen angewiesen, sagte Kastendiek. Er habe nach der Parlamentsverkleinerung in seiner Fraktion „zum Teil schmerzhafte personelle und organisatorische Anpassungsprozesse“ eingeleitet. In Hamburg etwa teilten sich zwei Abgeordnete einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, berichtete der CDU-Mann: „Davon träumen unsere Abgeordneten.“

Auch Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert warf Wedler „Populismus und Wahlkampfgetöse“ vor. Die Bürgerschaft habe doch 17 Abgeordnete eingespart: „Es ist schon bitter, dass es uns nicht gelungen ist, der Bevölkerung zu vermitteln, dass auch wir Opfer bringen“, sagte Linnert, die den Finanz-Deal der drei Fraktionen „im Kern“ verteidigte. „Ich möchte nicht, dass Mitarbeiter auch anderer Fraktionen von heute auf morgen in die Wüste geschickt werden“, sagte die Grüne. 1999, als die Grünen ein schlechteres Wahlergebnis eingefahren hätten, sei ihrer Fraktion ein Zuschlag gewährt worden – „jetzt haben wir uns dafür bei der CDU revanchiert“.

Der einzige Abgeordnete, der Wedlers Antrag schließlich mit unterstützte, war Rechtsaußen Siegfried Tittmann von der DVU. Markus Jox