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Archiv-Artikel

Freispruch unklarer Klasse

Die Verantwortlichen der Eisbären halten ihre Spieler für unschuldig. Die Staatsanwaltschaft in Schweden ist da wesentlich vorsichtiger: Eine Falschaussage möchte sie der Klägerin nicht vorwerfen

von RUDI NOVOTNY und PLUTONIA PLARRE

Die Eisbären sind frei und Boulevardzeitungen blasen munter zur Treibjagd: „Was passiert mit dem Lügenluder?“ schlagzeilte gestern der Berliner Kurier und meinte die 20-jährige Schwedin, aufgrund deren Aussage die Eishockeyprofis Yvon Corriveau und Brad Bergen in Schweden 19 Tage wegen Verdachts der Vergewaltigung in U-Haft gesessen haben. „Alles erstunken und erlogen.“

So einfach ist es nicht. Das Ergebnis der technischen Analysen von Tatortspuren hat die Waagschale zwar am Mittwoch zugunsten der Spieler ausschlagen lassen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die junge Schwedin gelogen hat. „Wir wissen nicht, was in dem Hotelzimmer wirklich geschah“, sagte die schwedische Staatsanwältin Pernilla Åström, die die Ermittlungen geleitet hatte, gestern zur taz. „Wir wissen auch nicht, wer von den dreien (gemeint sind die Frau und die Spieler; d. Red.) die Wahrheit sagt.“ Fakt sei, dass die Untersuchungen die Version der Verdächtigten gestärkt hätten.

Laut Åström gab es in dem Verfahren aber durchaus auch Momente, die die Version der Frau gestützt haben. So verwies die Staatsanwältin auf Druckstellen am Körper der Zeugin, die von einem gewaltsamen Festgehalten werden herrühren könnten. Sie seien bei der ersten ärztlichen Untersuchung festgestellt worden. Die Gesamtschau habe aber ergeben, dass die Beweise nicht ausreichten, um einen weiteren Tatverdacht und Haftfortdauer zu begründen.

Allerdings werde die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen die junge Frau einleiten, betonte Åström. Denkbar wäre ein Verfahren wegen falscher Anschuldigung und Freiheitsberaubung gewesen. „Dazu gibt es keinen Grund“, sagte Åström. Sie habe diese Entscheidung nach Rücksprache mit ihrem Vorgesetzen getroffen.

Ganz anders sah die Sache zur gleichen Zeit einige hundert Kilometer weiter südlich aus. Im Raum „Havel“, im Berliner Hotel BCA, veranstalteten die Verantwortlichen der Eisbären eine Pressekonferenz. Mit dabei auch Brad Bergen und Yvon Corriveau sowie ihre Ehefrauen. Zu befürchten hatten sie nichts mehr. Für den Club ist die Sache abgeschlossen. Manager Peter John Lee: „Natürlich gibt es keine Grundlage mehr für eine Suspendierung.“ Marketing Direktor Billy Flynn sekundierte: „Wir sind froh, dass sie wieder da sind. Es ist unvorstellbar, was die beiden durchgemacht haben. Sie waren 19 Tage unschuldig im Gefängnis.“ Strafe genug für die Spieler, wie Club-Sprecher Moritz Hillebrand meinte: „Das, was an Teamregeln verletzt wurde, ist mit diesen 19 Tagen mehr als abgegolten.“ Sowieso sei das Ganze übetrieben worden: „Okay, die Spieler waren in einem Nachtclub. Aber es war ein normaler geselliger Abend, keine Sauftour. Wenn Sportler drei Bier trinken, hat das mit einer Sauftour nichts zu tun.“

Für Hillebrand ist die Sache eine Farce: „Die ganze Geschichte ist darauf aufgebaut, dass eine Frau sagt, zwei Männer hätten sie vergewaltigt. Davon ist nichts mehr übrig geblieben.“ Details der Nacht könne der Club wegen eventuell anhängiger Verfahren zwar nicht nennen, aber: „Die Staatsanwaltschaft hat gesagt, dass da nichts war, die Spieler haben gesagt, dass da nichts war – also war da auch für uns nichts.“

Gut für Corriveau und Bergen. Deren Auftritt beschränkte sich auf ein kurzes Statement. „Es ist sehr schwer, alleine unschuldig in der Zelle zu sitzen. Ohne die viele Unterstützung hätte ich das nicht überstanden“, sagte Corriveau. Dafür wolle er sich bedanken. „Auch bei meiner Familie und vor allem …“. Der Eisbären-Stürmer kämpfte mit den Tränen, seine Frau musste schließlich den Satz beenden: „… und vor allem bei mir.“ Alles wird gut.