AL-QAIDA-GEFANGENE: RUMSFELD WILL „LEBENSLÄNGLICH“ OHNE PROZESS
: Ewige Internierung in Guantánamo

Der Unterschied zwischen Rechts- und Unrechtsstaat besteht darin, dass sich in einem Rechtsstaat auch die Behörden an die Gesetze halten müssen, dass auch die Regierungen an rechtliche Rahmensetzungen gebunden sind. Zwei Jahre nach den Anschlägen des 11. September sind die USA, was den Umgang mit tatsächlichen oder mutmaßlichen Terroristen angeht, von diesem zivilisatorischen Standard Lichtjahre entfernt. Was US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Mittwoch vor amüsierten Journalisten in Washington zum Besten gab, erklärt vollkommene Willkür zur legitimen Leitlinie staatlichen Handelns.

Die in Guantánamo gefangenen mutmaßlichen Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer würden so lange festgehalten, bis der Krieg gegen den Terror vorbei sei, erklärte Rumsfeld – eine Analogie zur Verweildauer von Kriegsgefangenen, ohne dass die Betroffenen aber deren Rechte genießen. Und ein Krieg immerhin, von dem Präsident Bush einmal fabulierte, dass man womöglich nicht recht merken werde, wann er zu Ende ginge. Schlechte Aussichten für die Gefangenen.Wenn es dem Präsidenten gefalle, so Rumsfeld weiter, würde man gegen einzelne auch Militärtribunale veranstalten, vielleicht aber auch nicht, denn eigentlich käme es nicht darauf an, diese Personen zu bestrafen, sondern sie einfach „von der Straße weg“ zu halten, solange der weltweite Krieg gegen den Terror anhalte. Das klingt so locker wie der deutsche „Unterbindungsgewahrsam“, bei dem potenzielle Störer so lange von der Polizei festgehalten werden, bis etwa ein Bush-Besuch vorbei ist, längstens jedoch 48 oder in manchen Bundesländern 72 Stunden. Für die Guantánamo-Häftlinge kann es heißen, den Rest ihres Lebens in US-Gefangenschaft zu verbringen – ohne Anklage, ohne Prozess, ohne Rechte.

Viele US-Zeitungen haben in ihren 11.-September-Ausgaben gestern auch berichtet, dass die USA in der Welt heute unbeliebter seien und mehr Feinde hätten als vor zwei Jahren. Solange sie sich eine Regierung vom Schlage Rumsfelds leisten, muss sich darüber nun wirklich niemand wundern.

BERND PICKERT