: Filet vom Wildschwein an Art au Concept
Anneli Käsmayr und Jenny Kropp veranstalten opulente Menüs als Konzeptkunst. Das Medienecho dafür ist beachtlich, wobei bislang eher die Koch- als die Kulturjournalisten auf die Künste der Bremer Kunststudentinnen anspringen. Liegt’s am Konzept? Oder daran, dass die beiden einfach zu gut kochen?
Eine weiße Tafel, festlich gedeckt mit Kerzenleuchtern und Blumenbouquets. Die Gäste klirren mit den Weingläsern, plaudern und freuen sich auf ein exquisites Vier-Gänge-Menü. Eine ganz normale Tischgesellschaft? Nein. Dieses Bankett ist so wenig bloß ein Bankett, wie Marcel Duchamps Schneeschaufel bloß eine Schneeschaufel ist.
„Wir machen so was Ähnliches wie ‚Ready mades‘. Nur sind wir vielleicht noch radikaler“, sagt Anneli Käsmayr. Denn während Duchamps Schneeschaufel im Museum steht, gehen die beiden Kunststudentinnen Anneli Käsmayr und Jenny Kropp mit ihrem Projekt auch in private Räume. Was sie dort tun? Sie binden sich Schürzen mit ihrem Logo „Dilettantin“ um, kochen in der Hausküche ein exquisites Menü und veranstalten ein Festessen für mehrere Personen. Und: Sie erklären die ganze Aktion zur Kunst.
„Nichts sieht nach Kunst aus, ist aber als Kunst gemeint“, erfährt man aus ihrem Booklet. Folglich gehe es auch „nicht ums Essen an sich, sondern um eine Blickveränderung“, so Kropp. Allerdings bleibt offen, wohin der Blick, statt auf den Teller, sonst hingehen soll. „Zeichen“ wie das dezente Künstlerlogo auf der Tischdecke oder die mit Sinnsprüchen bedruckten Stoffservietten sollen lediglich „die Frage nach der Kunst in den Raum stellen“. Die Antwort aber verliert sich in dem Konzept aus „Kunst“, „Alltag“ und dem „Dazwischen“.
Die Frage nach dem Verbleib der Kunst dürfte sich auch einigen Gästen stellen. Wie sich in den ersten Veranstaltungen offenbarte, neigten die Bekochten dazu, das „Dilettantin“-Team eben doch für einen noblen Catering-Service halten. Trotz subversiv bedruckter Servietten.
Vielleicht liegt dies daran, dass ihre exzellenten Kochkünste das künstlerische Konzept schlicht in den Schatten stellen. „Kalte Zitronensuppe mit Fischtasche, Wildschweinfilet vom Rücken an dunkler Schokoladensauce mit eingelegten Birnen, zum Dessert Champagner-Halbgefrorenes mit weißer Schokolade, grünem Pfeffer und kandierten Limettenzesten“ – mit diesen kulinarischen Kompositionen belegten sie beim Kochwettbewerb der Zeit im April den zweiten Platz.
Professionell gelernt haben sie das Handwerk des Kochens nie. Aus Spaß hätten sie vor einem Jahr angefangen, mit Rezepten zu experimentieren und einmal die Woche ein Vier-Gänge-Menü zu kochen. „Im Studium lernen wir genaues Betrachten und Komposition“, so Käsmayr „das wenden wir auch beim Kochen an“.
Seit kurzem lassen sich die Kochkünste der „Dilettantinnen“ buchen – ob „l‘autre lieu“, also an öffentlichen Orten wie Galerien oder Kunsthallen, oder privat „à la maison“. Ein Menü für vier Personen kostet etwa 600 Euro.
Das Medieninteresse, das sich nach dem Sieg beim Kochwettbewerb auf sie richtete, war ein „Glücksfall“ – für sie als Köchinnen, nicht jedoch für die Kunst. „Es ist nur schwierig, immer darauf hinzuweisen, dass wir eigentlich was anderes machen“, so Käsmayr, „das hat schon genervt“. Ironie des Schicksals, dass sie jetzt sogar Anfragen von zwei TV-Sendern bekamen, die neue Gesichter für eine Kochsendung suchen. „Eine praktikable Möglichkeit, Geld zu verdienen“, meint Käsmayr, „nur mit unserem Projekt hätte das nichts mehr zu tun“. Kropp: „Mit unserem künstlerischen Anspruch dürften wir eigentlich keine normale Kochsendung moderieren“.
Vorerst bleiben die beiden bei ihrer Live-Aktion. Zu jedem Abend erstellen sie ein Protokoll, in dem auch Anregungen der Gäste aufgenommen werden. Zudem bewahren sie die jeweils benutzte Tischdecke auf. Die Rotweinflecken-Muster seien so interessant, meint Kropp, dass man sie glatt auf einen Rahmen spannen und, mit einem Augenzwinkern, als Gemälde hinstellen könne.
„Konsequenter wäre es auch, gar nicht selbst zu kochen, sondern nur als Regisseure der Aktion aufzutreten“, meint Käsmayr. Doch um andere in der Küche stehen zu lassen, fehlt noch das Geld. Beim Kulturhauptstadtbüro wollen sie sich nun um einen Förderbeitrag für den im Winter geplanten Werkkatalog bewerben. Schließlich haben sie für die Arbeitsgruppe des Büros auch schon mal eine bestechend gute Suppe gekocht.
Am 1. Oktober werden Käsmayr und Kropp in der Ausstellungshalle des „Lichthaus“ zum ersten Mal für öffentliche Besucher ein Essen veranstalten. 65 bis 75 Euro kostet der komplette Abend pro Person. Aber dafür wird man Teil eines Kunstwerks – und darf mit der Bratensoße selbst ein wenig Künstler spielen. Sibylle Schmidt
Kontakt: www.dilettantin.de