: Notfalls Luftballons verteilen
Die Bildungsbehörde kontrolliert nicht Plus- und Minusstunden, die durchs neue Lehrerarbeitszeitmodell enstehen, erklärt Schulaufsichtsleiter Norbert Rosenboom im taz-Interview. Wenn Lehrer keine Schüler haben, sollen Schulleiter sie beschäftigen
Interview: KAIJA KUTTER
taz: Schulleiter berichten von Unsicherheiten im Umgang mit Minusstunden. Ihre Rundschreiben werden offenbar nicht verstanden. Müssen Minusstunden gezählt und aufs nächste Jahr übertragen werden oder nicht?
Norbert Rosenboom: Das ist ganz klar: Sie müssen nicht addiert und aufs nächste Jahr übertragen werden. Es war ursprünglich geplant, diese Stunden in ein Softwareprogramm einzugeben. Das haben wir zurückgezogen, weil es nicht sinnvoll ist. Über die Minusstunden könnte man sonst Stellen auf einem Weg erwirtschaften, der gar nicht erlaubt ist. Jetzt ist es völlig anders geregelt. Die Verantwortung liegt bei der Schulleitung. Die hat dafür zu sorgen, dass Unterricht stattfindet und vertreten wird. Und sie hat dafür zu sorgen, dass Plus- und Minusstunden am Jahresende ausgeglichen sind. Ganz wichtig: Die Behörde verpflichtet sich im Rundbrief, nicht in diese Abrechnungen reinzugucken.
Es fehlt aber eine klare Anweisung, aus der das hervorgeht.
Wir haben dies per Rundschreiben mitgeteilt, weil es die Schulen schnell erreichen sollte. Und natürlich wissen die Schulen, dass diese Rundschreiben mit der Behördenleitung abgestimmt sind. Eine Dienstanweisung hätte länger gedauert. Wenn die Schulen sie haben wollen, können sie die kriegen. Es gibt aber auch Schulen, die wollen diese Änderung nicht wahrnehmen. Wenn man ein Gegner des Modell ist, ist man nicht interessiert, dass es entspannt wird.
Eltern begegnen an Schulen kuriose Dinge. Eine Lehrerin bekommt 12 Minusstunden, weil sie als Zweitkraft auf Klassenreise fährt und in der Nebenklasse fehlt.
Das ist Quatsch. Das steht nirgendwo. Jede Lehrkraft, die auf Klassenreise fährt – auch die zweite – bekommt 9 Stunden pro Tag angerechnet. Da kann gar keine Minusstunde entstehen.
Aber Lehrer, die nicht mitreisen und mangels Schülern nicht unterrichten, bekommen Minus?
Ja, die bekommen theoretisch Minusstunden. Der Schulleiter ist gehalten, dies auszugleichen. Aber sie können ja die Stunden vertreten, wo die Lehrer fehlen, die auf Klassenfahrt sind. Da könnten eigentlich nicht viele Stunden übrig bleiben. Und wenn doch, können Schulleiter Aufträge erteilen, zum Beispiel für Konzeptentwicklung.
Was ist mit Ausflügen? In einer Klasse fuhr eine Lehrerin für 30 Minuten per Auto zum Ziel, um die Minusstunde zu vermeiden.
Es ist schmerzhaft, so etwas zu hören. Da gibt es bessere Wege. Da hätte man der Kollegin besser einen Strich als Minus gemacht, den sie später vertreten könnte. Eine andere Möglichkeit wäre, sie im Unterricht hospitieren zu lassen oder ihr zu sagen: ‚Bereite der Klasse für ihre Rückkehr einen schönen Empfang mit bunten Luftballons.‘ Oder: Lassen sie sich für die Stunde einfach was einfallen.
Lehrer finden diese Minusstunden eben einfach ungerecht.
Dabei werden die gar nicht auftauchen. Minusstunden sind das geringste Problem. Die Probleme liegen woanders. Ein Lehrer, der Zweistunden-Fächer wie Physik und Sport unterrichtet, kann das Pech haben, dass er 400 Schüler in der Woche betreut. Dazu ist man nicht mehr in der Lage. Ein weiterer Knackpunkt ist, wie die Schulleitung mit diesem Modell umgeht.
Was tun sie nun?
Wir werden gucken, welche Leitungsgruppe Hilfe braucht im Umgang mit dem Modell. Mitunter bestraft die Schulleitung Lehrer bewußt mit Minusstunden, um das Modell mit Absicht an die Wand zu fahren.
Stimmt es, dass sie die Nachfolge von Frau Knipper antreten?
Das habe ich auch gelesen. Ich habe keine derartige Karriereplanung. Die Stelle wird bundesweit ausgeschrieben.
Und, bewerben sie sich darauf?
Das überlege ich mir dann.