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Archiv-Artikel

Arbeitslose haben Zeit

Die neuen Arbeitslosengeld-II-Fragebögen werden nur zögerlich zurückgesandt. Die Verunsicherung der Betroffenen gilt als Hauptgrund

„Die Leute müssen sich erst einmal sorgfältig beraten lassen“, so Verdi

VON HOLGER PAULER

Der Rücklauf der ausgefüllten Fragebögen für das neue Arbeitslosengeld II (ALG II) ist schleppend. Landesweit seien bislang 9,2 Prozent der Bögen ausgefüllt worden. Die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit hatte nach Angaben ihres Sprechers Werner Marquis für Mitte August mit einem Rücklauf von 13,7 Prozent gerechnet. Jetzt sind es ein Drittel weniger. „NRW liegt dabei immer noch im oberen Bereich“, sagt Marquis. In anderen Bundesländern, vor allem in Ostdeutschland, sehe die Sache wesentlich schlechter aus. Dort sei aber auch der Protest gegen die Hartz-IV-Reformen, wozu auch das ALG II gehört, größer als anderswo.

Werner Marquis macht die Verunsicherung der Bürger für den zögerlichen Rücklauf verantwortlich. „Die Bedenken sind unnötig“, so Marquis. Er bezeichnet Berichte, wonach Leute, die ihre Bögen bereits jetzt ausgefüllt haben, von eventuellen Nachbesserungen ausgeschlossen seien, als falsch. „Bei ALG II gilt das Günstigkeitsprinzip“, sagt Marquis. Niemand, der seine Unterlagen bereits jetzt eingereicht hat, müsse demnach mit Benachteiligungen rechnen. Ein weiterer Grund für die schlechten Zahlen: Erst 60 Prozent der 420.000 regionalen Bögen seien bisher verschickt worden. Die Fragebögen dienen als Grundlage für das neue, ab dem 1. Januar 2005 aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auszuzahlende ALG II. Die erste Frist für den Rücklauf der Bögen endet am 1. Oktober.

Im Bezirk Duisburg gehören 18.000 zum Personkreis der zukünftigen ALG II-Bezieher. 1.400 Anträge seien bereits in Bearbeitung, so der Sprecher der Duisburger Arbeitsagentur, Jürgen Volland. Er sieht seine Agentur im Soll. „Sollte der Rücklauf so weiter gehen, könne wir von einer lückenlosen Auszahlung des Geldes ausgehen“, so Volland. Die betroffenen Personen werden in zwei Phasen auf ALG II vorbereitet. Die Arbeitsagentur Duisburg bietet in der ersten Phase etwa 700 Beratungen an. In einem Folgetermin werden die Fragebögen bearbeitet und abgegeben. „Ein Drittel der Zielpersonen ist bislang nicht erschienen“, sagt Volland, bei einem weiteren Drittel seien die Angaben fehlerhaft.

Für den Bezirk Bochum, zudem auch die Stadt Herne zählt, sehen die Zahlen noch etwas schlechter aus. In Bochum seien nach Angaben von Sprecher Peter Woboril 500 von 11.000 Fragebögen zurückgesandt worden, in Herne sind es nur 200 von insgesamt 7.000 Bögen. „Wir liegen damit natürlich hinter unseren Erwartungen zurück“, sagt Woboril, der landesweite Trend mache halt auch vor dem Bezirk Bochum nicht halt.

Jürgen Glaubitz vom Verdi-Landesverband NRW sieht große Hindernisse vor allem in der schwierigen Sprache und im Umfang der Fragebögen. „Die Leute müssen sich erst einmal sorgfältig beraten lassen“, so Glaubitz, der im „Bündnis Soziale Bewegung“ gegen die Hartz-IV-Reformen aktiv ist. „Es ist zum Beispiel nicht geklärt, wie mit der Anrechnung von Lebensversicherungen oder der Angemessenheit des Wohnraums umgegangen wird“, sagt Glaubitz. Verdi bemühe sich daher auch, gemeinsam mit den örtlichen Arbeitslosen-Initiativen, Sekretäre als „Multiplikatoren“ für Hartz-Aufklärung zu schulen. Der große Zulauf in den örtlichen Beratungsstellen zeige den Beratungsbedarf deutlich auf. In den größeren Ruhrgebietsstädten nehmen täglich bis zu 30 Personen das Angebot wahr.