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Archiv-Artikel

Das Profil ist das Ziel

Eva Schmidt, langjährige Leiterin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, hat Bremen in Richtung Siegen verlassen. Ein Rückblick auf den Tellerrand, Bremer Kulturpolitik und das Prinzip „Stadtmarketing“

Von kli

Siegen ist eine Stadt mit 100.000 Einwohnern, sie liegt in Nord–rhein-Westfalen rund 100 Kilometer von Köln und Frankfurt entfernt und in einem Schaufenster in der Innenstadt ist zu lesen: „Die berühmtesten Bremer sind Flüchtlinge“. Warum das da steht, ist unbekannt, aber Eva Schmidt fällt dieser Stadtmusikanten-Aphorismus täglich auf: Seit Anfang August ist Schmidt frisch gebackene Leiterin des Siegener Museums für Gegenwartskunst; zuvor war sie zwölf Jahre lang Leiterin der Bremer Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK). Wie es in der GAK personell weitergeht, wird der GAK-Vorstand im September entscheiden. Wie es aber war und ist mit der Kunst in Bremen, das lässt sich von Eva Schmidt erfahren – derzeit allerdings nur noch per Telefon.

taz: Frau Schmidt, sind Sie auch geflüchtet?

Eva Schmidt: Nein, aber wenn man die Gesellschaft für Aktuelle Kunst so lange macht, dann weiß man natürlich genau, wie man das macht – man kennt die Probleme und reagiert immer gleich. Da ist es einfach interessant, mal woanders hinzugehen und auf neue Probleme zu stoßen. Zudem gibt es im Siegener Museum für Gegenwartskunst noch viel zu entwickeln: Das Museum hat eine kleine Sammlung, die sich im Aufbau befindet. Und da es sich in dieser kleinen Stadt befindet, ist es das DAS Museum vor Ort. Ich bin also in einer ganz anderen Weise als in der GAK in der Verpflichtung, das Programm an ein allgemeines städtisches Publikum zu vermitteln. Die GAK hingegen hat eine sehr spezielle Rolle in Bremen.

Wie hat sich diese Rolle in ihrer Amtszeit als GAK-Chefin verändert?

Die GAK ist stärker ins allgemeine Bewusstsein gerückt, vor allem durch solche Ausstellungen wie „Do all Oceans have Walls“ und „Niemand ist eine Insel“. Gleich geblieben ist, dass die Mitglieder sich sehr stark mit der GAK identifizieren – das ist etwas absolut Positives, was ich mit der GAK verbinde.

Aber Sie haben ja auch ein Konzept verfolgt, das mit Ihrem Namen verbunden ist.

Mein Ziel war immer möglichst unabhängig interessante, noch nicht etablierte künstlerische Positionen vorzustellen. Das ist ja auch die Aufgabe der GAK – die GAK muss sich ja unterscheiden von ihrem Nachbarn, dem Neuen Museum Weserburg.

Wie ging es Ihnen da im Rückblick mit der Bremer Kulturpolitik?

War schwierig, bei wechselnden Politikern musste man immer von neuem anfangen, Überzeugungsarbeit leisten. Man musste immer wieder erklären, was die GAK für eine Funktion hat im Spektrum der Bremer Institutionen. Seit Bremen sich für den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“ bewirbt, hat sich die Postion der GAK allerdings verbessert. Ich glaube insgesamt, dass die Stadt durch die Bewerbung aktiver geworden ist. Alle Institutionen sind selbstbewusster geworden. Das liegt natürlich auch daran, dass immer mehr Legitimation dafür gefordert wird, eine Einrichtung zu subventionieren – die Geldflüsse sind immer stärker davon abhängig, ob Institutionen eine gute Begründung für sie haben. Da denkt man natürlich auch immer stärker darüber nach, was man tut und welche Ziele man hat.

Das hieße, die finanzielle Drangsalierung hätte auch einen Qualitätsschub zur Folge.

Nicht Qualitätsschub, sondern eine stärkere Tendenz zur Zielformulierung. Das heißt natürlich nicht, dass man Subventionen ganz einstellen soll. Außerdem ist es ist auch so, dass sich die Kultur–szene in letzter Zeit überall, nicht nur in Bremen, ausdifferenziert. Und indem sie sich ausdifferenziert, denken natürlich alle permanent darüber nach, was sie wollen. Und viele Geldmittel wie beispielsweise die der Bundeskulturstiftung werden natürlich in Wettbewerbssituationen vergeben. Das hat Auswirkungen auf die Reflexivität des eigenen Tuns.

In Bremen hatte es die GAK immer schwer, bei der Bremer Marketing GmbH Geld zu bekommen – die sind nur auf die Anträge der großen Institutionen eingegangen. Das fand ich wirklich betrüblich.

Dort herrscht das Prinzip: Kulturförderung als Stadtmarketing.

Genau. Das ist eindeutig negativ zu sehen.

Was unterscheidet Bremen von einer Kulturmetropole?

Der Kunstmarkt. Es müsste mehr Sammler und Galeristen geben – der private Anteil an einem Kunstmarkt müsste aktiver sein. Die Vielfalt der Institutionen in Bremen aber ist okay.

Stimmt es, dass die Bremer Kunstszene nicht über den Tellerrand schaut, sich nur dafür interessiert, was innerhalb der Bremer Stadtgrenzen passiert?

Ich glaube nicht, dass sich das groß von anderen Städten unterscheidet. Auch beispielsweise in Berlin gibt es die Tendenz, dass man sich misst an denjenigen, die in derselben Stadt sind. Diese Tendenz gibt‘s überall. Ich würde schon sagen, dass die Künstler in Bremen durchaus wissen, was woanders gemacht wird.

Was werden Sie vermissen an Bremen?

Die Weser. Und das Viertel. Das ist für mich ein Beispiel für städtisches Leben schlechthin: eine unheimlich lange Straße, die verschiedene Mileus durchquert. Sowas findet man nirgendswo anders, höchstens in New York – ich haben den Ostertorsteinweg immer mit dem Broadway verglichen.

Interview: kli

Die GAK verabschiedet sich von Eva Schmidt am 27.8. ab 20 Uhr nach der Eröffnung der Ausstellung von Dolores Zinny und Juan Maidagan