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Archiv-Artikel

Galopp und Trab in die Pleite

Pferderennsport an Rhein und Ruhr steckt in einer tiefen Krise. Galopprennbahnen wie Neuss kämpfen ums Überleben. Machtkampf um die einst ruhmreiche Gelsenkirchener Trabrennbahn

„Es gibt nur einen Rennverein“, sagt ein Sprecher des alten Traber-Clubs

VON KLAUS JANSENUND MARTIN TEIGELER

„Ruhig Brauner“, mag rufen, wer von den Rivalitäten rund um die Gelsenkirchener Rennbahn hört. Nach monatelangem Zwistigkeiten steht die traditionsreiche Trabrennpiste im Ruhrgebiet vor einem erneuten Machtwechsel. Am Dienstag wurde bereits der dritte Trabrennverein innerhalb von zwei Jahren in der Schalke-Stadt gegründet. Passend zum Neustart läuft jetzt der Verkauf des Gelsenkirchener Renngeländes an eine Schweizer Firma.

„Es gibt nur einen Rennverein“, sagt Michael Schröer, Präsident des „alten“ Clubs, der 2002 auf den Pleite gegangenen Rennverein folgte. Die Existenz des „neuen“ Vereins ignoriert Schröer. Hintergrund des Rivalenduells: An dem eidgenössischen Unternehmen, das die Trabliegenschaften in Gelsenkirchen erwerben will, ist der gefeuerte Geschäftsführer des alten Rennvereins beteiligt. Der eingesessene Verein scheint aus dem Rennen. Neuer Club und neuer Geländebesitzer wollen kooperieren.

Machtkämpfe, Millionenschulden, allgemeine Misere – die Krise im deutschen Trabrennsport hat alle wichtigen Bahnen in NRW erfasst. Neben Gelsenkirchen musste im vergangenen Jahr auch der Trabrennverein Recklinghausen Insolvenz anmelden. Auch andere Rennbahnen sind vom Aus bedroht. Hauptursache für den Niedergang der Branche: Wurde unprofessionelles Geschäftsgebaren jahrzehntelang durch satte Wettumsätze aufgefangen, meiden die Rennsportfans heutzutage die Bahnen und buchen lieber in privaten Wettbüros.

Wie die Traber kämpfen auch die Galopprennbahnen ums Überleben. So sucht die Stadt Neuss seit Monaten nach einem Investor für die unrentable Rennbahn im Stadtzentrum. Auf der Bahn soll ein Gelände für Wohnbebauung ausgeschrieben werden, auch eine Multifunktionshalle und ein Veranstaltungszentrum sind geplant. Den hochfliegenden Plan eines Investorenkonsortiums, ein Motodrom für 75.000 Zuschauer und eine Skisprungschanze zu bauen, hat die Stadt allerdings beerdigt. „Wir sind ja keine Millionenstadt“, sagt Rudolf Kaiser, der Leiter des Liegenschaftsamtes. Ein Verkauf an Private strebe er nicht an: „Wir wollen die Verfügungsgewalt über das Gelände behalten und jemand suchen, der weiterhin Galoppsport ermöglicht.“

Darauf hofft auch Bernd Koenemann, Geschäftsführer des Neusser Reiter- und Rennvereins: „Allein wird es schwer, die Bahn weiter zu finanzieren.“ Sollte ein privater Käufer eine Bestandsgarantie für die Reiter geben, sei alles denkbar. „Wir haben sogar schon mit einem arabischen Emirat verhandelt“, sagt Koenemann.

In Gelsenkirchen ist die Traberkrise zum Polit-Thema geworden. Rennvereins-Präsident Michael Schröer attackierte gestern die Stadt und ihre Rolle beim Verkauf der Rennbahn. In einem offenen Brief fordern Schröer und seine Vorstandskollegen Wilhelm Bruns und Alwin Schockemöhle Aufklärung über die „wahren Umstände des Verkaufs“.

Gelsenkirchens Kämmerer Rainer Kampmann (CDU) weist die Vorwürfe zurück: Die Stadt habe keinen unmittelbaren Einfluss auf den Verkauf. Schröer will sich damit nicht zufrieden geben. Er forderte den Gelsenkirchener Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU), der zudem Aufsichtsratsvorsitzender des Rennverein-Gläubigers Sparkasse ist, gestern eindringlich zu einer „persönlichen Kontaktaufnahme“ auf.