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Archiv-Artikel

Jungs mit großen Füßen

Unter der Sonne Kaliforniens hatten Kowalsky und Tobi von „Moonbootica“ die DJ-Idee. Inzwischen stehen die Leute Schlange, um zu ihrer Musik zu tanzen. Deren Herkunft aus dem HipHop scheint nur noch entfernt auf, zum Beispiel wenn Kowalsky sagt: „Unsere Musik hat Eier“

Inzwischen erkennt man den HipHop nur noch im Detail

von Bianca Ludewig

Moonbootica, das sind Kowalsky und Tobi Tob. Die Jungs mit den großen Füßen, Size 48, scheinen ein gutes Team – nicht nur zum Schuhe tauschen. Redegewandter Kontrollfreak (Kowalsky) meets unkompliziertes Musikgenie (Tobi). Was bedeutet: chaotisch trifft organisiert und liebevoll ergänzt sich mit vertrauenswürdig, und fertig ist die Moonboutique.

Gemeinsam ergibt sich dann, laut eigener Definition, eine DJ-Mischung die treibt, rockt, ravt und dabei doch in kein Raster passt. Die Kunst der Tanzprovokation. Also nix für Sesselhocker, die steif rumposen und auf Sound-Dogmen pochen.

Schließlich haben sich Kowalsky und Tobi Tob damals bewusst über sämtlichen Szenedruck, musikalische Grenzen und DJ-Tabus in ihrem Umfeld hinweggesetzt – um als Moonbootica in Club und Studio „Alles ist erlaubt“ zum obersten Gebot auszurufen.

Und wer hätte das gedacht, dass ihre Bestrebungen einmal einen neuen eigenen Stil mitprägen würden? So weit reichte nicht mal die wildeste Vorstellung Kowalskys, damals vor zwölf Jahren in Rothenburg/Wümme. Dort war er der einzige der mit dem Regionalzug nach Hamburg fuhr, um dort bei Michelle mit den Grußlisten der CD-Booklets nach neuen HipHop-Schätzen zu suchen.

Die Moonboots lernten sich schließlich vor zehn Jahren in Elmshorn – Kowalskys nächster Heimat – durch Das Bo kennen. Sie begeisterten sich für ähnliche Musik, bis dann Mitte der 90er Rap zu einem geldverherrlichenden Ghetto-Lifestyle mutierte, wie sich Tobi erinnert. Für ihn wurden die Rapper zu Typen, denen man nicht mehr begegnen wollte. Zumal sich auch die Selbstwahrnehmung veränderte: Man empfand sich nun eher als smarter, weißer und gut gebildeter Mittelschichtler.

Kowalsky und Tobi Tob wurden offen gegenüber Musik mit anderem Identifikationspotenzial und wandten sich dem Techno/Trance-Hype zu, der seinerzeit in Elmshorn für umtriebiges Raven sorgte. Und da Kowalsky kein Freund von Kontrollverlust war und ist, konsumierte er keine Drogen. Er versuchte andere Wege ins High: Auflegen und Produzieren mit Kollege Tobi.

Rapper wurden zu Typen, denen man nicht mehr begegnen wollte

Für Tobi, der seit dem Zivildienst bereits von seinen Tätigkeiten bei Tobi & das Bo und später mit 5 Sterne Deluxe leben konnte, war Moonbootica eine Möglichkeit, sich etwas von dem ganzen Rap-Game zu distanzieren. Besonders seit Moonbootica auch kommerziell erfolgreich war, aber das passierte natürlich nicht von heute auf morgen. Von der DJ-Idee, die die beiden mal am Strand von Kalifornien hatten, bis zu den Moonbootica-Partys, wo Menschenmassen Schlange standen, um die Moonboutique zu tanzen, dauerte es schon eine Handvoll Jahre, und Kowe hatte Gelegenheit, seine Multitasking-Fähigkeiten als Booker, Promoter, Manager und Pressetextschreiber zu entwickeln, während Tobi seinen HipHop-Verpflichtungen nachging.

In Ihren Sets erkennt man den HipHop inzwischen nur noch im Detail. Oder in der Attitüde: „Moonbootica Musik hat Eier“, betont Kowe. Songs mit dezentem Arrangement landen nicht in ihrem Set, denn die Herren Mondschuh erzeugen Druck – und Druck muss Ventile finden. Bei ihnen geschieht das allerdings in sehr geordneten Geschwindigkeitsgrenzen. Zwischen 126 bpm und 134 bpm spielt sich die Moonbootique ab.

Die verlockenden Angebote, die ihnen die Label-Majors machten, lehnten die beiden ab und gründeten ihr eigenes Label Moonbootique Records, das nun mit Kontor zusammenarbeitet. Dies ist das Label von H. P. Baxter, auch bekannt als Sänger von Scooter. Und so haben die Mondschuhler jetzt, nach veröffentlichtem DJ-Mix und diversen Maxis, die Möglichkeit, mit der nötigen Gelassenheit an ihrem ersten Album zu schrauben.

Moonbootica legen das nächste Mal am Freitag, 27. August, 21.30 Uhr beim Lovefield-Festival in Scheeßel auf