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Archiv-Artikel

Die Berliner FDP verliert ihren Retter

Günter Rexrodt, der die FDP 2001 aus dem Nichts wieder ins Abgeordnetenhaus führte, starb gestern mit 62 Jahren an einem Krebsleiden. Parteifreunde hatten ihn nach einer Operation schon auf dem Weg der Besserung gesehen

Für Mieke Senftleben war es Stunden nach der Nachricht noch ein Schock. Vor zwei Wochen hatte die FDP-Abgeordnete Günter Rexrodt zu Hause besucht. Er, der Exminister, habe einen recht guten Eindruck gemacht, schien nach einer Krebsoperation auf dem Weg der Besserung. Doch gestern Morgen starb der Mann, der 2001 quasi im Alleingang dafür sorgte, dass Senftleben und 14 andere FDPler ins Abgeordnetenhaus kamen.

Noch Ende April hatte Rexrodt im taz-Interview kaum versteckt, dass er über 2006 im Bundestag bleiben wollte. Vital wirkte er. Da saß ein Mann, der mit 62 noch viel vor sich sah. Die Charité veröffentlichte gestern, was kurz darauf geschah: Im Mai hatte sich Rexrodt wegen dort wegen eines Tumorleidens am Hals operieren lassen. Eine Zeit lang habe er nicht sprechen können, sagen Parteifreunde, beim Bundesparteitag im Juni fehlte er. Doch danach wähnte ihn die FDP auf dem Weg zurück. Rexrodt sei zuletzt schon wieder in seinem Bundestagsbüro gewesen.

In Würdigungen wiederholt sich eine Charakterisierung: Prägend, hartnäckig, zäh sei er gewesen. „Wenn er sich etwas vorgenommen hatte, dann zog er das auch durch“, sagt etwa Senftleben. Wer ihn mochte, sah darin Zielstrebigkeit, andere hielten das für Sturheit. Mehrfach sah sich Rexrodt dem Vorwurf des Lobbyismus ausgesetzt: Er trenne nicht ausreichend zwischen seiner Tätigkeit als Abgeordneter und seinem Vorstandsjob bei der Polit-Beratung WMP. Einiges schien darauf hinzuweisen, dass dem so war. Rexrodt wies den Vorwurf stets zurück: Er habe die Verhaltensregeln des Bundestags minutiös eingehalten.

Berlin war für Rexrodt, den geborenen Thüringer, der Startblock für eine über zwei Jahrzehnte lange Politikkarriere. Staatssekretär für Wirtschaft und Finanzsenator war er in den 80ern in der schwarz-gelben Koalition. 1994 wurde er für eineinhalb Jahre Landeschef der FDP, im Jahr 2000 nochmals. Die Landesebene schien er hinter sich gelassen zu haben, als er 1993 Bundeswirtschaftsminister wurde. Mit seinem 1994 gewonnenen Bundestagsmandat blieb er auch nach dem Regierungswechsel 1998 auf der Bundesebene.

Zurück brachte ihn der Bankenskandal: Rexrodt sah die Chance, im Trubel des Umsturzes die siechende, zerstrittene FDP wieder ins Abgeordnetenhaus zu bringen. Müde 2,2 Prozent hatten die Liberalen bei der Wahl 1999 geholt – mit Rexrodt als Spitzenmann waren es 2001 fast 10. Als „Mr. Wirtschaft“ zog er durch die Stadt und warb für Neuwahlen. Dass er das auch mit dem PDS-Mann Gregor Gysi tat, „dafür ist er teilweise ganz schön angefeindet worden, in der FDP und auf der Straße“, sagte Markus Löning, der ihn im April als Landeschef ablöste.

Ohne Regierungsbeteiligung aber war Rexrodt die Landesbühne sichtlich zu klein. Der Exminister in der Opposition im Abgeordnetenhaus, als Lehrmeister vieler FDP-Politnovizen, das hätte wohl auch kaum gepasst. STEFAN ALBERTI

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