Nadelstreifen-Rebellion auf der Trabrennbahn

Kleinkrieg in der Gelsenkirchener Trabrenn-Szene um Verkauf der Rennbahn eskaliert. Gelsentrab wirft Stadt und Sparkasse Subventionierung des neuen Bahnbesitzers vor und attackiert CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke

GELSENKIRCHEN taz ■ Wenn auf der Rennbahn Radau gemacht wird, dann stilvoll bei Champagner und Canapees. Im schicken Abano As-Club des Gelsenkirchener Trabrennvereins attackierte Clubpräsident Michael Schröer gestern Gelsenkirchens Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) wegen des geplanten Verkaufs der Traditions-Rennbahn an die Schweizer Firma Nikea. Eine Stunde lang redete sich Schröer in Rage. Das Fazit des Rebells in Nadelstreifen: „Die Stadt subventioniert mit dem Vertrag ein Immobilienunternehmen.“

Der Rennvereins-Boss ist enttäuscht von der Stadtspitze. Kommune und Sparkasse seien mitverantwortlich, dass die Erbbaurechte des Gelsenkirchener Trab-Areals samt angeschlossenen Trödelmarkt unter Preis an die Nikea AG in Zürich veräußert werden sollen. „Und das zu einem lächerlich geringen Preis von 875.000 Euro“, sagte Schröer und legte eine Kopie des Kaufvertrags vor, die ihm „anonym zugeschickt“ worden sei. Hinter Nikea stecke der Anfang August fristlos entlassene Rennvereins-Geschäftsführer Markus Seidl. Ein Schröer-Freund bei der Pressekonferenz: „Da läuft eine feindliche Übernahme im Gelsenkirchener Trabrennsport und die Stadt unterstützt das.“

Vor zwei Jahren hatte Schröer, der gebräunte Düsseldorfer mit der Michel-Friedman-Frisur, die insolventen Gelsentrab übernommen und zu sanieren versucht. Als Kronzeugen für seine erfolgreiche Amtszeit ließ Schröer gestern Heinz Wewering, den „Franz Beckenbauer“ der Traberszene ans Mikrofon. „Schröer und sein Team haben hier gute Arbeit geleistet“, sagte Traber-Legende Wewering und fügte einige kritische Bemerkungen über Ex-Geschäftsführer Seidl hinzu: „Ich bin dafür, dass der Vorstand hier weiterarbeitet.“

Seidl, der gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, soll bereits einen neuen Trabrennverein gegründet haben, um den alten Club bald abzulösen. Der im Unfrieden geschiedene Jungunternehmer spielt bereits seit Jahren eine Doppelrolle rund um das Gelsenkirchener Trabergelände: bis vor kurzem als Trab-Marketingchef und als interessierter Geschäftsmann am anliegenden Trödelmarkt. Im Oktober 2002 griff der damalige Flohmarktbetreiber Noureddin Raschid Seidl an: „Jeder in Gelsenkirchen weiß, dass Seidl meinen Markt übernehmen will.“ Trödel statt Traben? Dreht sich der Machtkampf nur um die Marktrechte auf dem Parkplatz neben der Bahn?

Stadt und Sparkasse teilten auf Anfrage mit, sie seien am Verkauf nicht direkt beteiligt. Den Verkauf wickle der Insolvenzverwalter ab. Doch auch der ist nicht zu einem Statement bereit. Während Vereins-Chef Schröer gestern mit rechtlichen Schritten gegen den „Ausverkauf“ der städtischen Rennbahn drohte, scheint die Stadt mitten im Kommunalwahlkampf abzuwarten. Ein Stadt-Sprecher erklärte im WDR, man „werde die Partei unterstützen, die einen dauerhaften Rennbetrieb gewährleisten“ könne. MARTIN TEIGELER