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Archiv-Artikel

Merkel will nicht an die Volksfront

Die CDU soll nicht mehr gleichzeitig für und gegen Hartz IV sein. Parteichefin Merkel unterstützt Schröder öffentlich. Dennoch erwartet niemand, dass die Hartz-Kritiker aus der Union nun still sind. Bosbach: „Die Betroffenheit im Osten ist einfach größer“

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Linke und Rechte schreien auf, lamentieren und kritisieren, wollen Hartz IV wieder kippen. Nur der Kanzler schreitet als Staatsmann in der Mitte. So, als Salomon der deutschen Politik, sieht sich Gerhard Schröder gern. Besonders gern wirft er deshalb alle Kritiker in einen Topf, spricht von einem „Verhinderungsbündnis“ und von einer „Volksfront“ gegen Hartz IV und damit gegen die Vernunft. Zu gern tut der Kanzler das – für den Geschmack der Unionsführung, die sich unwohl fühlt in einem Topf mit der PDS und Oskar Lafontaine. Angela Merkel jedenfalls will, das hat sie gestern klar gemacht, nicht an die Volksfront.

Die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe, genannt Hartz IV, sei „notwendig“, sagte die CDU-Vorsitzende der Welt, allen Protesten auch aus der eigenen Partei zum Trotz. Es gehe darum, dass Deutschlands Wirtschaft wieder wächst. Dazu seien die Reformen, die bisher beschlossen wurden, insbesondere auch Hartz IV, „richtig“. Nur bei der Umsetzung und Aufklärung mache Rot-Grün Fehler.

Vieles von dem, was Merkel gestern kundtat, war beinahe wortgleich auch von Schröder selbst bereits des Öfteren zu hören – und ist nur aus einem Grund bemerkenswert: weil es selten vorkommt, dass eine Oppositionsführerin den Regierungschef ausdrücklich in Schutz nimmt. Leicht wird es ihr nicht gefallen sein, doch Merkel hatte offenkundig keine andere Wahl. Zu verwirrend waren die Stellungnahmen aus der Union zu Hartz IV in letzter Zeit gewesen, was die Autorität der Chefin zu untergraben drohte und zu Schröders Vorwurf führte, die Union wolle sich aus der Verantwortung für das gemeinsam beschlossene Gesetz stehlen.

„Eine notwendige Klarstellung“ sei Merkels Interview gewesen, sagte ihr Fraktionsvize im Bundestag, Wolfgang Bosbach, der taz. „Wir können ja nicht gleichzeitig für und gegen Hartz IV sein.“ Der Hamburger CDU-Bürgermeister Ole von Beust ging noch weiter und forderte: „Wir können die Regierung jetzt nicht im Regen stehen lassen.“ Beust kündigte an, er werde am Montag, in der ersten CDU-Vorstandssitzung nach der Sommerpause, das Thema „Geschlossenheit bei Hartz IV“ auf den Tisch bringen, falls Merkel nicht persönlich auf denselben haue. „Populistisches Zurückweichen würde uns und der Sache nur schaden“, ist Beust sich sicher.

Ob sich die Milbradts, Böhmers und all die anderen Hartz-Kritiker im Osten fügen? Das glaubt nicht einmal Merkels Vize Bosbach. „Die Betroffenheit in den neuen Ländern ist einfach größer als im Westen. Darauf reagieren sie, das ist verständlich.“ Seit gestern ist jedoch eines klar: Wenn CDU-Politiker weiter an Hartz IV herumkritteln, treffen sie damit auch die eigene Chefin.