: Montagsdemo spaltet sich
Viele Arbeitslose wollen nicht an der Gelsenkirchener Montagsdemo teilnehmen, weil dort die maoistischen MLPD dominiere. Martin Wendland will das ändern: Er startet seine eigene Demo
AUS GELSENKIRCHENMANFRED WIECZOREK
„Wir haben uns auf den bisherigen Montagsdemos nicht wiedergefunden“, sagt Martin Wendland. Deshalb startet der seit drei Jahren arbeitslose Diplom-Journalist seine eigene Montagsdemo in Gelsenkirchen. „Aber das ist eine, die die von Hartz IV-Betroffenen selbst tragen“, zieht Wendland die Trennlinie zur bisherigen Kundgebung. Die sei ihm und vielen Anderen zu sehr vom Wählerbündnis „Alternativ, Unabhängig, Fortschrittlich“ (AUF) dominiert.
„Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass hinter AUF vor allem die MLPD steht“, so Wendland. Die Maoisten, die ihre Deutschlandzentrale in Gelsenkirchen unterhalten, sind nicht nur dort bei den Montagsdemos stark vertreten. Auch in Bochum und Dortmund, wo die MLPD nicht offiziell als Organisator auftritt, sind die Fahnen und Flugblätter der Partei nicht zu übersehen.
Doch es sind nicht speziell die Gelsenkirchener Maoisten, die Leute wie Martin Wendland abschrecken. Ob MLPD, AUF, PDS oder sonst eine Partei – das sei ihm egal, sagt er. Er wolle, dass Arbeitslose ihre Sache selbst in die Hand nehmen. „Es kann doch nicht sein, dass es in der Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote keine handlungsfähigen Zusammenhänge Erwerbsloser gibt.“ Seit in der lokalen Presse die zweite Montagsdemo angekündigt wurde, steht das Telefon der Familie Wendland nicht mehr still. Viele hätten angerufen, auch die Polizei. Wendland möge die Demo doch bitte anmelden. „Es ist die erste Demo, die ich organisiere“, entschuldigt er sich.
Eigentlich ist es schon seine zweite. Denn schon am letzten Montag hätten rund 40 Menschen mehr oder minder spontan demonstriert. „Wir haben einfach mal ein paar Plakate in die Fenster des evangelischen Industrie- und Sozialpfarramtes (ISPA) gehängt. Als so viele kamen, sind wir dann auch losmarschiert“, sagt Martin Wendland. Vorbei an der verdutzten Polizei und den anderen Montagsdemonstranten. Bei einem ersten Treffen Gelsenkirchener Hartz- Betroffener sei die Idee aufgekommen, eine eigene Demo zu machen Sozialpfarrer Dieter Heisig hatte vor zwei Wochen zu einem Treffen eingeladen und Hilfe beim Ausfüllen der Fragebögen angeboten. Rund 60 Menschen kamen, immerhin.
Wendland ist Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, auch die hat er um Unterstützung gebeten – vergeblich. „Aber jetzt im Sommerloch ist das schwierig“, zeigt sich Wendland verständnisvoll. Kein Verständnis hat er für den Vorwurf, die Arbeitslosen hätten doch schon viel früher aktiv werden müssen. „Ja, wie denn?“, fragt er. Erst jetzt werde doch langsam die Vereinzelung der Erwerbslosen durchbrochen. Das einzig Gute an Hartz IV sei, dass es die Menschen wach gerüttelt habe. Jetzt sei das Klima da, um über Reformen zu reden. „Aber über Reformen für und nicht gegen die Arbeitslosen“, stellt er klar. Hartz IV müsse weg.
Der DGB Emscher-Lippe dagegen will grobe Ungerechtigkeiten bei Hartz IV weiter angehen, aber „Hartz-IV-muss-weg-Aufrufen“ unter dem Deckmantel wahltaktischer Zwecke weiterhin eine Absage erteilen. Martin Wendland stört das nicht: „Ohne Giftzähne stirbt das Konzept den langsamen Tod, auch gut. Und einen Deckmantel gibt es bei uns nicht.“ Gegen derlei Verdächtigungen wehrt sich auch AUF-Kandidatin Monika Gärtner-Engel. In einem in der MLPD-Zeitung Rote Fahne abgedruckten Offenen Brief an den DGB und die evangelische Kirche heißt es: „Inzwischen ist es kein Makel, sondern ein Pluspunkt, wenn eine Organisation oder Partei keinen Vertrag mit denen da oben hat.“
Das anschließende Plädoyer für ein überparteiliches Engagement auf gleichberechtigter Grundlage greift Martin Wendland gern auf: „Streiter in der Sache sind willkommen. Aber Partei-Logos und Flugblätter im vorgestanzten Polit-Jargon nicht.“ So wird es künftig wohl zwei Montagsdemos in Gelsenkirchen geben.