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Archiv-Artikel

Paradiesische Motive

„Schattenseiten in bunten Farben“: Bilder des Hamburger Künstlers Berthold von Kamptz, der musizierte, filmte, versackte und spät zur Malerei fand, sind im Sasel-Haus zu sehen. Ein Porträt

Wer kann sie zählen, die geknechteten Angestelltenseelen, die in ihren tristen Großraumbüros von einem aufregenden Künstlerleben träumen? Einem Leben voller Kreativität, Ruhm und verbotener Substanzen? Berthold von Kamptz hat sich diesem Traum seit seinem sechzehnten Lebensjahr verschrieben. Der Hamburger „Vollblutkünstler“ (Kamptz über Kamptz) stellt zur Zeit im Sasel-Haus einen Querschnitt seiner Bildproduktion der letzten Jahre aus.

Gerade mal 31 Jahre alt, hat von Kamptz sich im Verlauf seines bewegten Lebens schon als Filmemacher, Musiker und Maler versucht. Dabei blieben, wie der Titel der Ausstellung, „Schattenseiten in bunten Farben“, andeutet, Krisen und Enttäuschungen nicht aus.

Noch in der Schulzeit organisiert er sich eine Filmausrüstung vom Offenen Kanal und dreht mit Freunden eine jugendliche Punkversion des Hitchcock-Klassikers Psycho. Der Streifen, in dem von Kamptz auch die Hauptrolle spielt, landet auf undurchsichtigen Wegen im Rahmenprogramm des Fantasy Filmfestes und läuft dort mit großem Publikumserfolg in drei Kinos. 1990 war das. Von Kamptz erinnert sich genau: „In diesem Jahr war auch Klaus Kinski präsent.“ Er und der große Klaus Kinski, das gefällt ihm, davon will er mehr.

Doch ein zweites Filmprojekt und eine Solotour als Sänger und Keyboarder enden im Chaos. „Wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt“, fühlte er sich damals. Zu viele Parties, zu viel Alkohol. Nach einem desaströsen Auftritt auf dem Rathausmarkt, bei dem seine Stimme endgültig den Geist aufgibt und er entkräftet in die Bühnendeko stürzt, ist erst mal Schluss. Mit 20 steht von Kamptz vor den Ruinen seiner jungen Film- und Musikkarriere.

Dass er einmal als Maler Erfolg haben könnte, ging ihm erst recht spät auf. Seine ersten Versuche, Freunde und Musikerkollegen auf Parties und in Kneipen zu portätieren, findet er „ziemlich daneben“. Erst als das Lob von allen Seiten zunimmt und seine Erfahrungen als Musikproduzent immer desillusionierender weden, erkennt er sein malerisches Talent. „Eine große Glühbirne“ sei da in seinem Kopf angegangen, meint er lachend. Er besucht Kunstkurse und erweitert sein thematisches Spektrum, will verstärkt persönliche Erfahrungen und „sozialkritische Inhalte“ transportieren: Gewalt, Krieg, Arbeitslosigkeit, Isolation; mit groben Strich und in grellen Farben entwirft von Kamptz wilde Tableaus, in denen er „den Alltag seiner Generation“ einzufangen sucht.

Doch die Verbindung aus künstlerischer Sensibilität und einem seiner Musikervergangenheit geschuldetem „Rock‘n‘Roll Lifestyle“ bremsen ihn aus. Er erleidet einen Nervenzusammenbruch, zieht sich zu seiner Freundin nach Polen zurück und beginnt, wieder in Hamburg, sich malerisch mit der eigenen Biographie auseinander zu setzen. Dabei wendet er sich zunehmend „paradiesischen Motiven“ zu, hauptsächlich Landschaften und Stillleben.

Als Student der Hamburger Hochschule für Bildene Kunst hat sich Berthold von Kamptz technisch weiterentwickelt, der „intuitive Bauchmaler“ von früher blitzt nur noch selten auf. Es war ein weiter Weg, und genau den will er mit dieser Ausstellung dokumentieren. Michael Unterberg

Bis zum 31.8. im Sasel-Haus, Saseler Parkweg 3