: Dräger-Diät für Universität
Wissenschaftssenator will Zahl der Studienplätze um 20 Prozent reduzieren. Zugleich soll die Professorenschaft um ein Drittel schrumpfen. 37 Uni-Gebäude stehen auf der Streichliste. Hochschulleitung über Personal- und Platzabbau empört
von EVA WEIKERT
Erstmals hat Wissenschaftssenator Jörg Dräger das tatsächliche Ausmaß seiner Rosskur für die Universität eingeräumt. Demnach soll die Zahl der Studienplätze bis 2012 um ein Fünftel auf rund 30.000 abgebaut werden. Gleichzeitig soll Hamburgs größte Hochschule ihre Professorenschaft um ein Drittel auf 461 Lehrstühle reduzieren. Das sieht ein Gutachten des Hochschulinformationssystems (HIS), eines Unternehmens von Bund und Ländern, vor, das der Parteilose gestern vorstellte. „Es wird schmerzhafte Veränderungen geben“, sagte Dräger, „auch in Bereichen, die ein gutes Renommee genießen.“
Die Expertise wurde von Drägers Behörde in Auftrag gegeben, um den Flächenbedarf der Uni nach Umsetzung der 2003 verabschiedeten Senatsleitlinien zur Hochschulreform zu ermitteln. Der in der HIS-Studie jetzt für die Uni vorgegebene „Zielzustand ist aus meiner Sicht erreichbar“, sagte Dräger gestern. Den Gutachtern zufolge könnten bis 2012 ingesamt 37 Gebäude oder Flächen aufgegeben und die Universität auf drei Standorte konzentriert werden (siehe Kasten).
Die Gesamtzahl der Wissenschaftler an der Uni soll mit 1.464 gleich bleiben. Die Zahl der Professoren geht aber zu Gunsten von billigeren wissenschaftlichen Mitarbeitern mit Zeitverträgen massiv zurück. Besonders heftig ist der Kahlschlag in der Fakultät der Geistes-, Kultur- und Sprachwissenschaften. Dort soll die Zahl der Studienplätze um 58 Prozent abgebaut und die Zahl der Professuren halbiert werden (taz berichtete). Wie Dräger betonte, erhofft er sich durch die Schrumpfung der Studierendenzahl eine intensivere Betreuung durch die Lehrenden und deutlich mehr Absolventen. Die Vorgaben der HIS-Studie wolle er zur Grundlage für die Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit der Uni für das Jahr 2005 machen.
Über die Standortschließungen herrscht zwischen Behörde und der Uni zwar Einvernehmen. Den Studienplatz- und Professorenabbau will die Hochschulleitung indes nicht hinnehmen. „Die Personalbedarfsberechnungen erkennen wir nicht an“, sagte Uni-Chef Jürgen Lüthje gestern. Auch der geplante Abbau der Studierendenzahlen sei „in dieser Größenordnung aus Sicht der Universität nicht vertretbar“. Er würde dazu führen, dass außer den Lehramtsfächern fast alle anderen geisteswissenschaftlichen Fächer geschlossen werden müssten. Dabei würde beispielsweise das gesamte Fächerspektrum der asiatischen und afrikanischen Sprachen aufgegeben werden müssen. „Die Uni und die Stadt als internationale Metropole würden dadurch ein wichtiges Profilmerkmal verlieren“, kritisierte der Uni-Chef.
Zugleich griff Lüthje im Gespräch mit der taz Senator Dräger scharf an. Dessen Art, mit dem HIS-Gutachten umzugehen, sei ein „gravierender Vertrauensbruch“ gegenüber der Universität. „Die Studie war ausschließlich zur Flächenbedarfsberechnung mit uns abgestimmt worden“, empörte sich Lüthje.
Auch wies der Uni-Präsident darauf hin, dass die HIS-Studie eine „Idealrechnung ist, die von Umsetzungsproblemen abstrahiert“. So erklären die HIS-Gutachter, ihre Studie gehe „ausdrücklich von einem Idealzustand 2012 aus“. Dazu gehöre etwa, dass der neue, bei der Wirtschaft noch unbekannte Turboabschluss Bachelor künftig auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werde. Andernfalls seien höhere Übergangsquoten für den vertiefenden Master zu berücksichtigen. Und damit, wie die HIS-Gutachter betonen, „höhere Studierendenzahlen und steigender Personalbedarf“.