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Archiv-Artikel

unterm strich

„Rat für deutsche Rechtschreibung“ soll eigentlich ein zwischenstaatliches Gremium heißen, in dem sich deutsche, österreichische und schweizerische Experten zum Fortgang der Rechtschreibreform beraten, darunter auch Reformkritiker und Skeptiker aus den drei Ländern. Der Rat, der seine Arbeit ursprünglich Ende des Jahres aufnehmen sollte, ist nach neuen Planungen der Kultusministerkonferenz schon in diesem Herbst arbeitsfähig. Das vorbereitende Treffen sollte gestern stattfinden. Aus diesem Anlass haben nun radikale Reformgegner einen Gegen-Verein gegründet, der unter demselben Namen operiert und sich für die Wiederherstellung des Status quo ante einsetzt. Das Gremium versammelt gleichfalls Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auf einer Pressekonferenz teilten sie am Sonntag mit, sie wollten dem „Grundsatz Geltung verschaffen, dass die Sprache dem Volk gehört“.

Vorsitzender des Alternativ-Gremiums ist der Journalist Hans Krieger, und als Ehrenmitglieder konnten die Schriftsteller Elfriede Jelinek, Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze gewonnen werden. Also wieder mal die üblichen Verdächtigen: Schriftsteller und Lyriker, die weit über fünfzig sind und ewig in der alten Rechtschreibung geschrieben haben. Dass sich gerade diese Berufsgruppen trotz offenkundiger Befangenheit und eigener Lernunfähigkeit immer wieder als Verteidiger allgemeiner Wünsche „des Volkes“ aufspielt, sollte schon bedenklich stimmen. Vor allem wenn die Anti-Reform-Rhetorik so bizarre Züge annimmt wie bei Reiner Kunze, der seinen Einsatz allen Ernstes mit dem Kampf gegen die Mauer gleichsetzt. Vielleicht wäre den eigenen Interessen mit einem „Verein gegen Arteriosklerose“ besser gedient.