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Archiv-Artikel

Kein Frieden zu den Friedensgesprächen

Sudans Regierung hat eine originelle Interpretation der Vereinbarungen mit der UNO zur Entwaffnung der Milizen in Darfur: Sie werden in die Regierungsstreitkräfte integriert. Das belastet die neue Runde von Darfur-Friedensverhandlungen in Nigeria

AUS KUTUM HEINRICH WALD

Ein majestätischer Anblick: 3.000, vielleicht 4.000 Kamele sind auf dem Weg zu neuen Weidegründen nördlich der Stadt Kutum. Frauen, Kinder, Greise – arabische Nomaden vom Stamm der Maharir – führen ihren Hausrat auf dem Rücken der Tiere mit. Berittene Milizionäre – so genannte Dschandschawid – begleiten den Zug. Sie tragen Uniformen der sudanesischen Armee und sind schwer bewaffnet.

Es sieht relativ friedlich aus für eine Kriegsregion, wie sie Darfur ist. Aber es ist nicht friedlich, glaubt man zwei Bauern aus dem Dorf Kufut. „Sie kamen auf Kamelen“, erinnert sich Moussa Ahmed Mohammed an den Angriff der Milizen auf das Dorf. „Sie haben alles gestohlen: unsere Kamele, unsere Esel, einfach alles.“ Mehr als 30 Menschen sollen an diesem Tag bei Plünderungen getötet worden sein. Wie viele der jetzt zu betrachtenden Kamele Raubgut sind, lässt sich nicht ermitteln.

Ein kenianischer UN-Beobachter erhebt schwere Anschuldigungen: Über dem betroffenen Gebiet kreiste während der Plünderungen ein Antonow-Transportflugzeug der sudanesischen Armee, sagt er. Die Dschandschawid arbeiteten jetzt enger denn je mit der Regierung zusammen, erklärt er, weil die Regierung in Khartum sie ruhigstellen wolle. „Sie haben aufgehört, Häuser niederzubrennen. Aber sie plündern jetzt planlos und schüchtern Menschen ein.“

30.000 bis 50.000 Tote soll der Krieg im Westen Sudans seit seinem Ausbruch im Februar 2003 gefordert haben. Damals begehrten in Darfur Rebellen gegen die Zentralregierung in Khartum auf. Die bewaffnete Revolte im Westen des Sudan traf die Regierung unvorbereitet: Die war dabei, mit der viel älteren Rebellion im Süden um Frieden zu verhandeln. Die Aufständischen in Darfur überrannten Polizeistationen, Militärposten, eroberten weite Teile der Region. Viele aus Darfur stammende Regierungssoldaten liefen zu den Rebellen über. Khartum griff zu den alten, brutalen Mitteln aus dem Krieg im Südsudan: Milizen wurden bewaffnet, um den Aufstand niederzuschlagen.

„Enthaupten und die Augen ausstechen“

Die Dschandschawid – wörtlich übersetzt bedeutet das: bösartige, bewaffnete Reiter – fielen mit großer Brutalität über Dörfer und Weiler in Darfur her. Über 1,2 Millionen Menschen wurden vertrieben, hunderttausende haben Zuflucht im Tschad gesucht. Am 3. Juli dieses Jahres versprach die Regierung der UNO, die Aktivitäten der Milizen zu stoppen. Am 30. Juli gab der UN-Sicherheitsrat der Regierung des Sudan 30 Tage, um das zu tun. Am 6. August versprach Sudans Regierung der UNO die Einrichtung „sicherer Zonen“ für Darfurs Vertriebene. Gestern sollten in Nigeria Friedensgespräche zwischen der Regierung und den Darfur-Rebellen beginnen.

In den zerstörten Dörfern Darfurs sehen die Friedenschancen schlecht aus. Das Dorf Hilla liegt etwa zwei Autostunden nordöstlich der Provinzstadt Kutum. 48 Familien lebten früher hier. Im Juli 2003 wurde das Dorf angegriffen: Antonow-Transportflugzeuge der sudanesischen Armee warfen Bomben ab, Dschandschawid auf Kamelen und Pferden stürmten das Dorf, Regierungssoldaten gaben ihnen Flankenschutz. Der 35-jährige Moussa Mohammed Suleyman erinnert sich: „Mein Vater und zwei meiner Brüder sind getötet worden. Tot ist tot, aber sie enthaupten und ihre Augen ausstechen? Ist das möglich? Ein Gläubiger, ein Muslim tötet eines Muslims Bruder und sticht ihm dann die Augen aus? Den 27 Ermordeten haben sie die Augen ausgestochen, einige wurden enthauptet, anderen wurden die Hände abgehackt. Ist so etwas zwischen Gläubigen möglich?“

Sudans Regierung bestreitet entschieden jede Mittäterschaft. Sie bestreitet, dass jemals reguläre Truppen bei den Angriffen auf Dörfer und den Vertreibungen ihrer Bewohner beteiligt gewesen sein sollen. Sie bestreitet auch vehement, die Dschandschawid-Milizen ausgerüstet und bewaffnet zu haben. Doch in den Berichten von Flüchtlingen und Vertriebenen wird immer wieder das Gleiche beschrieben: Flugzeuge oder Hubschrauber greifen ein Dorf an, Dschandschawid – zumeist flankiert von Regierungssoldaten – überrennen das Dorf, zerstören, morden, plündern und vergewaltigen.

Nach wie vor sind die Dschandschawid in der Provinz Nord-Darfur allgegenwärtig. In und um Kutum streifen sie wie Revierförster mit geschulterten Gewehren durch mit Buschwerk und Bäumen bestandene Täler. Ihre Anführer sind teilweise mit Thuraya-Satellitentelefonen ausgestattet, mittels derer sie untereinander und zu Regierungsstellen Kontakt halten. Niemand beschränke bislang die Bewegungsfreiheit der Dschandschawid, sagt der kenianische UN-Beobachter. „Sie haben freie Hand. Tatsächlich sind einige, wie du selbst gesehen hast, in Regierungsuniformen.“

Seit Wochen verspricht Khartum, die Dschandschawid zu entwaffnen. Seit Wochen, sagt der Beobachter, hält Khartum die Welt zum Narren. „Meine persönliche Meinung ist, dass die Regierung mit dem, was sie sagt, die Welt nur reinlegen will.“