: Neue Hoffnung für ein lebendes Fossil
Weil sein Kaviar begehrt ist, darf sich der Stör erholen: Im Kaspischen Meer schwimmen wieder mehr als 10 Millionen
Es war ruhig um ihn geworden. Er zog sich immer mehr zurück: zuerst aus Europa, dann aus Amerika, schließlich auch aus Asien. Dabei hat die Familie der Knorpelfische schon die Dinosaurier überlebt. Nun wird in Genf sein sensationelles Comeback verkündet: Zwei Jahre nach dem Pariser Artenschutzabkommen hat sich der Stör im Kaspischen Meer wieder erholt.
Er sieht ein bisschen aus wie ein Hai – wenn man vom zahnlosen Saugmaul und seinen vier Barthaaren absieht. Mit Knorpelskelett, Schnabelnase und den fünf Reihen Panzerplatten, die über seinen graugrünen Körper laufen, gilt er bereits als lebendes Fossil. Der reine Süßwasser-Stör, der Sterlet, wird rund einen Meter groß. Der Riese unter den Stören, der Hausen, wird zuweilen sogar acht Meter lang und wiegt mehr als eine Tonne.
Ausgerechnet sein üppiger Nachwuchs wurde dem Fisch zum Verhängnis. Einmal im Jahr bricht das Störweibchen von den Flussmündungen auf, um flussaufwärts bis zu zweieinhalb Millionen winzige Eier abzulegen. Wenn es nicht vorher gefangen wird: Denn Störeier gelten unter dem Namen Kaviar als Delikatesse. Und die kleinen schwarzen Kügelchen bringen viel Geld: Ein Kilo kostet ungefähr 500 Euro, ein Kilo Beluga-Kaviar vom Hausen sogar 4.000 Euro. Die Weibchen werden aufgeschlitzt und der Rogen aus den Eierstöcken gedrückt, gesiebt und zur Konservierung gesalzen. Fischer rechnen mit drei bis vier Kilo pro gefangenem Tier. Eine gute Rendite. Nur schlecht für den Stör.
Bis 1991 wurde der Kaviarmarkt fast vollständig von der Sowjetunion und dem Iran kontrolliert. Durch scharfe Überwachung, Fangquoten und hohe Investitionen in die Aufzucht sicherten sie den Bestand ihrer Kaviarindustrie – und damit des Störs. Doch mit dem Ende der UdSSR brach auch das Kontrollsystem zusammen. In den Nachfolgerepubliken Russland, Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan übernahmen private Firmen den Störfang. Häufig mischt die Mafia mit.
So wurde er 1997 auf die Liste der akut gefährdeten Tiere gesetzt. Aber erst im Jahr 2001 beschlossen die Unterzeichnerstaaten des Washingtoner Artenschutzabkommens Cites, den Stör zu schützen. Bis März 2002 wurde ein Fangverbot für Störe im Kaspischen Meer verhängt. Auch nach seiner Aufhebung unterlag der Kaviarexport strengen Beschränkungen. Mit Erfolg. Dieses Jahr konnte die Ausfuhrquote erstmals wieder angehoben werden: von zuvor 140 auf rund 146 Tonnen.
Denn inzwischen schwimmen nach Schätzungen von Cites wieder 11,6 Millionen Störe im Kaspischen Meer. Vor drei Jahren waren es noch weniger als die Hälfte. Noch wichtiger ist, dass inzwischen rund 40 Prozent von ihnen wieder geschlechtsreif sind. Vor drei Jahren waren es gerade mal 5 Prozent. Die Regierungen schützen mit den Verkaufserlösen den Stör und bauen neue Bestände auf, lobt Cites. Caviar Emptor, ein Bündnis von Umweltorganisationen, behauptet dagegen, die Berechnungen seien fehlerhaft, und fordert eine Senkung der Quote.
In deutschen Gewässern ist der Stör lange ausgestorben. Aber im Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin-Köpenick schwimmen importierte amerikanische und französische Störe. In zwei Jahren sollen ihre Nachkommen in Elbe und Ostsee ausgewildert werden. MATTHIAS ANDREAE