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Archiv-Artikel

Wenn’s „klack“ macht an der Spree

Zum Volkssport wie in Frankreich wird Pétanque in Deutschland wohl nie. Aber auch hierzulande knirschen die Metallkugeln immer öfter im Kies. In Berlin ist die Boule-Begeisterung übrigens eine Hinterlassenschaft der französischen Besatzungstruppen

VON CHARLOTTE NOBLET

Frankreich ist die Nation des pétanque, so viel steht fest. Bei knapp über 423.000 Vereinsspielern ist das Spiel mit den Metallkugeln ein echter Volkssport. Aber die Grüppchen Hausschuhe tragender und Pastis schlürfender Opas – immer wieder ein beliebtes Motiv für Urlaubsfotos aus Südfrankreich – müssen langsam auch mit der deutschen Konkurrenz rechnen. Denn hierzulande boomt pétanque: Schon mehr als 12.500 Spieler sind in Vereinen registriert. Zahlenmäßig kommt damit immer noch ein Deutscher auf 34 Franzosen. Aber was linkerhand des Rheins eher als Altmännersport belächelt wird, ist in Deutschland gerade erst im Kommen. Und auch in Berlin sind die Boulodromes gut besucht: Auf dem Mittelstreifen der Charlottenburger Schlossstraße macht es ebenso häufig „klack“ wie im Mauerpark: Dort spielen die „Petanquistan“-Fanatiker vom ersten Bouleverein im ehemaligen Ostberlin. Heute zählt die deutsche Hauptstadt 8 Vereine mit rund 330 Spielern.

Eingeführt wurde die Boule-Mode von der französischen Besatzungsmacht. Im Jahr 1967 richteten sich Soldaten einen Bouleplatz in der Rue Doret am Tegeler Flughafensee ein. „Der war praktisch exklusiv für Franzosen aus der Cité Napoléon, wo die Kaserne stand“, erinnert sich Armand Ehlinger, ein Franzose, der als einer der wenigen Nichtmilitärs auf dem Platz Kugeln warf. „Und die französischen Regierung subventionierte das alles. Wir konnten spielen und feiern wie die Könige.“ Als die französischen Einheiten Berlin verließen, blieben am Ende nur 40 von 400 Vereinsspielern an der Spree. „Da lautete die Alternative: verschwinden oder den Verein eindeutschen“, erzählt Yves Le Rhun, der seit den Siebzigerjahren in Tegel spielt. 1993 wurde der „Club Bouliste de Berlin e.V.“ gegründet, der 1996 das rund 8.000 Quadratmeter große Gelände kaufte.

Heute hat der Verein nicht mehr viele französische Mitglieder: etwa 20 von 150. „Es wird nicht mehr so oft Französisch gesprochen wie früher“, berichtet Vereinspräsident Siegbert Nagel. „Wir sind eher multikulturell geworden, und das ist vielleicht besser so, weil die Franzosen manchmal zu arrogant waren.“ Dennoch bleibt der französische Einfluss. Im Clubhaus trinkt man Orangina und Ricard, und Ende November findet das traditionelle „Beaujolais Nouveau“-Turnier statt. Auch andere Turniere werden hier organisiert, wie der große Preis von Berlin. Das hat sicherlich damit zu tun, dass der Verein über die stattliche Zahl von 56 Bahnen und Berlins einzige Boulehalle verfügt. Besorgt ist Nagel ein wenig, dass die Jungen nicht wirklich die Nachfolge seiner Generation antreten könnten. „Das Boulespiel hat anscheinend zu wenig Aktion“, sagt er. Seine Kinder gehen lieber auf den Fußballplatz.

Das könnte aber auch mit dem Ort zu tun haben: Beim Boulodrome am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer schauen die Kinder öfters mal vorbei und spielen eine Runde mit. Auch Christian Hempel, dreifacher deutscher Boulemeister, hat so angefangen. Mit 13 Jahren tauschte er einfach den Abenteuerspielplatz gegen den Bouleplatz. Von den älteren Spielern lernte er mit der Zeit, wie man die Kugel richtig hält, wie man sie wirft, und was passiert, wenn man sie mit offener Hand, flach, halbflach oder hoch spielt.

Weil Christian Hempel gern auf Turniere fahren wollte, die Berliner Vereine aber diesbezüglich zu wenig Aktivität entwickelten, gründete er 1998 den „BC Kreuzberg e.V.“. Der hat heute 85 Mitglieder, das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. „Hier wird ernst gespielt“, sagt Hempel – als Vorsitzender muss er es wissen. „Für uns ist Boule ein richtiger Sport mit Techniken und Strategien“, betont der 33-Jährige.

Und noch ein drittes Element hat das pétanque-Spiel: Psychologie. Das hat der 28-jährige Hannes Block, deutscher Boulemeister 2004, bei großen Turnieren beobachtet: In einer erfolgreichen Mannschaft werden gute Aktionen gelobt, bei missratenen Kugeln baut man den Partner wieder auf. „Schlechte Würfe können jedem passieren“, sagt der Kreuzberger, der seit dem vergangenen Jahr zur deutschen Nationalmannschaft gehört. Gerade bereitet er sich für die Weltmeisterschaft vor, die Mitte September in Grenoble stattfindet. Den Bodenkontakt verliert man dabei als Berliner bouliste nicht so schnell: „Meistens spiele ich hier im Kiez“, sagt Block.

Pétanque in Kürze: Laut Peter Starck, Vizepräsident des „Club Bouliste de Berlin e.V.“, muss man nur sechs Sachen können: Rollen, Plombieren, Halb-Portée, Hoch-Portée, Schießen und Saufen