silke burmester
: Mickymaus als Anker

Sat.1 geht bahnbrechende neue Wege und startet seine Nachrichtenoffensive. Ex-ZDFler Thomas Kausch erklärt schon mal, was uns erwartet

In wenigen Tagen ist es so weit, am 30. August startet die Sat.1-Nachrichtenoffensive. Nicht, weil die Deutschen sie bräuchten, Sat.1 braucht sie. Zur Profilierung im Programmüberfluss, zur Zuschauerbindung. 18.30 Uhr ist die große Stunde von Thomas Kausch, dem Mann, den der mächtige Roger Schawinski als Anchorman ausguckte, zu Hause aufsuchte und sagte: „Sie will ich!“ Und weil an dem Mann, der mit seinen zu langen kurzen Haaren, den Knopfaugen und dem Bübchenblick an Mickymaus erinnert, viel hängt, hat die Sat.1-Presseabteilung bereits im Vorfeld versucht, den Westfalen, den das ZDF im Nachtprogramm untergebracht hatte, zum Anker aufzubauen.

Es wurde ein Folder ausgesandt, welcher den Journalisten Kausch, den Menschen Kausch näher bringen soll. Ein Interview ist abgedruckt, für dessen Relevanz-Suggestion man die Technik des Spiegels anwandte, bedeutenden Personen zwei Interviewer gegenüberzustellen. Der faktengeile Medienjournalist liest sich nun durch Fragen wie „Sind Sie von Natur aus ein risikofreudiger Mensch?“ oder „Welche privaten Konsequenzen hat der Umzug von Wiesbaden nach Berlin für Sie?“ und unglaublich fundierte Antworten.

Auf einen Blick wird deutlich, dass man einem Irrtum aufgesessen ist. Tatsächlich braucht doch Deutschland diese Nachrichten, denn Sat.1 wird das News-Rad neu erfinden. So will die News-Redaktion „schnell und zuverlässig sein“ und sogar „verbindlich und relevant“. Und wenn das nicht schon den Grundgedanken des Nachrichtenjournalismus auf den Kopf stellen würde, soll dies „die ganze Woche,“ so sein, „jeden Tag“. Die Hoffnung, die hinter all diesen Mühen steckt, ist, so Kausch, „dass die Zuschauer sagen: „Die bei Sat.1 haben, in Kooperation mit N24, gut gearbeitet, die Informationen sind zuverlässig“. Es stimmt. Kein Zuschauer wird jemals wieder „Sat.1“ denken können, ohne gleich „in Kooperation mit N24“ hinzuzufügen.

Welch bahnbrechende neue Wege Sat.1 hierfür geht, liefert Micky mit: „Ein Nachrichtenstudio sollte modern aussehen“, so seine Einschätzung. „Wir haben unter anderem eine große Video-Wand für Erklärgrafiken ins Studio integriert.“ Nach dieser Überdosierung an zu erwartender Relevanz flüchtet der matte Folder-Leser in Alexander Osangs Roman „Die Nachrichten“. Da heißt es zu den Möglichkeiten, die so ein modernes Studio dem Moderator bietet: „Sie konnten mit seinem Bild machen, was sie wollten. Sie könnten es ins All werfen, in einen ausbrechenden Vulkan, in eine Dorfkneipe. Er würde die Nachrichten vor einem nackten Frauenarsch verlesen, ohne es zu merken.“