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Archiv-Artikel

Eine Chronik des Versagens

SPD zieht vernichtende Bilanz nach zwei Jahren Schwarz-Schill, hat selbst dazugelernt und will künftig alles besser machen. In sechs bis neun Monaten, gerne auch sofort

So sehen Selbstgänger aus. Eine Stunde lang listeten gestern SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer und seine vier StellvertreterInnen die Pleiten und Pannen des Rechts-Senates auf – eine kurze Chronik des Versagens, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben sich anmaßte. Dafür reichte die Zeit nicht bei diesem Zwischenfazit nach zwei Jahren Schwarz-Schill, das bewusst „keine Halbzeitbilanz“ sein sollte, so Zuckerer. Er sei sicher, dass der Senat keine weiteren zwei Jahre durchhalte.

Rekordzuwächse bei der Arbeitslosigkeit, Kahlschlag an den Schulen, Kita-Katastrophe, Streichorgie in der Sozialpolitik, Kürzung im sozialen Wohnungsbau, gestiegene Kriminalität, Bankrotterklärung in der Kulturpolitik: Die Stichworte sind so reichlich, dass die GenossInnen ihre Phantasie nicht übermäßig beanspruchen mussten, um zu durchweg vernichtenden Urteilen zu kommen. Sie brauchten nur die Fakten sprechen lassen.

Eine „Politik des Scheins“ attestierte Zuckerer dem Senat, selbst das Prestigeprojekt „Wachsende Stadt“ sei nicht mehr als „ein PR-Konzept“. Eine Stadt könne nicht wachsen, „wenn es zu wenige Wohnungen, zu wenige Arbeitsplätze, zu wenige Lehrstellen, zu wenige Lehrer und zu wenige Kita-Plätze gibt“. Eine Stadt, findet die SPD, „muss zusammenwachsen“, der Senat aber „spaltet die Stadt“.

All diese Punkte sind es denn auch, welche die SPD in einem zehn Punkte umfassenden „Sofortprogramm“ anzugehen verspricht nach einem Regierungswechsel – mehr Kita-Plätze und Lehrer, mehr Jobs, Kultur und Sicherheit stehen ganz oben auf der Liste der Verheißungen. Denn „wir haben gelernt aus den Fehlern der letzten zehn Jahre“, in denen die SPD Hamburger Bürgermeister stellte, so das Fraktionsquintett unisono. Mithin bereit zum klügeren Regieren seien die Sozialdemokraten, „personell und programmatisch“, behauptete Zuckerer, und der Herausforderer für CDU-Bürgermeister Ole von Beust sei bis Ende Oktober auch gekürt. Thomas Mirow werde er heißen, ließ der Fraktionschef durchblicken, ohne den Namen zu nennen.

Und dann könne Schwarz-Schill gerne jeden Tag auseinander brechen, binnen „sechs bis neun Monaten“ werde das eh geschehen. FDP und Schill, in Wahlumfragen bei fünf Prozent dümpelnd, müssten auf Kosten des anderen um ihre politische Existenz kämpfen, und die CDU müsse beide Partner am Leben erhalten – diese interne Konfliktlage werde die Koalition nicht ausbalancieren können. „Wir“, sagt Zuckerer, „sind darauf eingestellt.“

Sozialdemokraten lassen sich eben nicht lange bitten.

sven-michael veit