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Archiv-Artikel

Schmückendes Beiwerk

Neues Gesetz soll behinderte Menschen gleichstellen. Rechtsanspruch auf Barrierefreiheit in Behörden. Enttäuschte Betroffene verlangen Korrekturen

Der CDU-Senat hat angekündigt, Behinderten mehr Rechte zu verschaffen. So soll ein neues Gesetz, das Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) gestern vorstellte, für Barrierefreiheit in allen öffentlichen Ämtern sorgen und einen Rechtsanspruch etwa auf Gebärdensprachdolmetscher oder Formulare in Blindenschrift beim Behördenbesuch etablieren. Betroffenen-Verbände bemängelten das Regelwerk und forderten in einem Brief die Fraktionen der Bürgerschaft zu Korrekturen auf.

Das „Gleichstellungsgesetz“ setzt einen Bundeserlass von 2002 um. Es regelt die Einrichtung eines Landesbeirats, der bei der Sozialbehörde angesiedelt sein soll. Seine durch die Behörde bestellten Mitglieder sollen die Umsetzung der neuen Order kontrollieren. Deren Ziel ist im Kern, Behinderten den Umgang mit Ämtern zu erleichtern, etwa indem Verwaltungen zur Bereitstellung von Kommunikationshilfen wie Bildschirmtelefonen oder Bescheiden auf Kassette verpflichtet werden.

Details über den Umfang der Ausstattung etwa mit Informationstechnik für Blinde regelt das Gesetz aber nicht. Dies soll später per Rechtsverordnung erfolgen, für die es keines Parlamentsbeschlusses bedarf.

Die GAL-Opposition sieht darin „ein Schlupfloch“. Wie GALierin Martina Geregersen rügte, fehlen im Gesetz verbindliche Formulierungen: „Regelungen wie der Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher werden durch Rechtsverordnungen eingeschränkt, die je nach Etatlage festgelegt werden können.“

„Der Gesetzentwurf erfüllt nicht unsere Erwartungen“, beklagte auch Klaus Becker, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen, in einem Brief an die Bürgerschaftsfraktionen. Im Zentrum seiner Kritik steht die Zusammensetzung des geplanten Beirats, „die nicht in das Belieben der Behörde gestellt werden sollte“. Stattdessen müsse „zumindest“ gesichert sein, dass Vertreter behinderter Menschen in dem Gremium die Mehrheit stellen und diese auf Vorschlag der Betroffenen berufen werden. „Ansonsten sind Behinderten-Vertreter nur schmückendes Beiwerk“, warnte Martin Eckert vom Verein Leben mit Behinderung. Das Berufungsverfahren durch die Behörde sei „ein Unding“.

Wie der Geschäftsführer monierte, ignorierte der Senat auch die Forderung Betroffener, ihnen einen Sitz in Beteiligungsgremien wie dem Rundfunkrat einzuräumen. „Das ist nicht einsehbar“, so Eckert, „gerade in Funk und TV ist Barrierefreiheit gefordert.“ Eva Weikert