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Archiv-Artikel

„Frauen wollten auch noch in die Finanzwelt“

Das Kasseler Archiv der deutschen Frauenbewegung wird 25. Gesammelt werden speziell auch Schriften der Gegner

KASSEL taz ■ Ein Originalbild vom Aufstand der Weberinnen? Private Notizen einer der Mütter des Grundgesetzes, Elisabeth Selbert? Wer heute über Frauengeschichte forscht, fährt nach Kassel: zum „Archiv der deutschen Frauenbewegung“ (Addf). Seit 25 Jahren gibt es das einzigartige Dokumentationszentrum – und seit Jahren hofft man dort auf eine Förderung vom Bund.

Das Archiv hat sich auf die frühe deutsche Frauenbewegung spezialisiert. Es sammelt Originalquellen und Forschungsliteratur für die Zeit zwischen 1800 bis 1967. Der aktuelle Bestand umfasst Material im Wert von rund 1,8 Millionen Euro: 26.000 Bücher, 1.000 Zeitschriftentitel, 3.000 historische Bilder – und 420 laufende Meter Nachlässe.

Auch die SPD-Politikerin Elisabeth Selbert (1896–1986) hat ihre privaten Briefe, Reiseerlaubnisse und Dokumente dem Archiv vermacht. Die Juristin aus Kassel gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg dem Parlamentarischen Rat an, der das Grundgesetz ausarbeitete – neben drei weiteren Frauen und 61 Männern. In ihrem Nachlass findet man nun auch ihre handgeschriebenen Notitzen, mit denen sie schließlich durchsetzte, dass der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz gelangte.

Rund 10.000 ForscherInnen haben bislang mit der Sammlung des Frauenarchivs gearbeitet. Genau das wollten die Gründerinnen ermöglichen – denn sie standen selbst vor dem Problem, dass es kaum Quellensammlungen gab. Sabine Hering etwa, heute Professorin am Institut für Gender Studies der Uni Siegen und Stiftungsvorstand des Addf, untersuchte Anfang der 1980er-Jahre Biografien früher Sozialarbeiterinnen – und kam an vielen Stellen nicht weit. Hering beschloss, mit anderen Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen das Archiv zu gründen.

Ein anderer Impuls war die Suche nach den Wurzeln des eigenen politischen Engagements: „Die neue Frauenbewegung stellte irgendwann fest, dass all ihre Ideen so neu gar nicht waren“, sagt Gilla Dölle vom aktuellen Archiv-Team. „Dass es Vordenkerinnen gab, über die aber wenig bekannt war.“

Die Lücke sollte das Archiv schließen. Gesammelt wird seitdem breit. Auch Schriften der Gegner. Dölle etwa hat zur Finanzierung der Frauenbewegung geforscht und antifeministische Schriften einbezogen: „Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Frauenbank in Berlin“, berichtet sie. Die Gegner zeterten, dass Frauen nicht nur Bildung und Wahlrecht, sondern auch noch die Finanzwelt erobern wollten. „Damit ging für die antifeministische Seite die Welt unter.“

Geld bleibt auch für das Addf ein schwieriges Thema. Noch immer fließt viel unbezahlte Frauenarbeit in den Fortbestand des Archivs. Mittel geben das Land Hessen, ein Förderkreis und die Stadt Kassel. Deren Oberbürgermeister, Bertram Hilgen (SPD), versprach zum Geburtstag, sich für eine staatliche Förderung auf Bundesebene starkzumachen.

KATJA SCHMIDT