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Archiv-Artikel

Die stillen Opfer von Hartz IV

Vom Arbeitslosengeld II sind Asylsuchende pauschal ausgenommen – sie bekommen, wenn sie einen Job verlieren, weniger Geld. Flüchtlingsvertreter rügt: Hartz IV wurde bislang nicht mit dem Zuwanderungsgesetz abgestimmt. Daher drohen Härten

aus BERLIN INES KURSCHAT

Die Protestwelle rollt. Nach den Montagsdemos in Magdeburg, Leipzig und Dresden wird auch in Westdeutschland verstärkt gegen Hartz IV mobilisiert. Eine Gruppe unter den DemonstrantInnen fehlt aber: die Asylsuchenden. Dabei sind sie von der Reform besonders betroffen.

AsylbewerberInnen ist es im ersten Jahr ihrer Ankunft in Deutschland absolut verboten, zu arbeiten. Nach der einjährigen Wartefrist können sie jedoch beim Arbeitsamt eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis anfragen. Wer von ihnen einen der heiß begehrten sozialversicherten Jobs ergatterte, dort mindestens ein Jahr gearbeitet hat und schließlich arbeitslos wurde, konnte nach dem Arbeitslosengeld bisher Arbeitslosenhilfe beziehen, so wie andere ArbeitnehmerInnen auch. Doch damit ist bald Schluss. Alle Ausländer, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sind künftig vom Arbeitslosengeld II (Alg II) ausgeschlossen.

Der Anspruch auf das Alg II, die neue Grundsicherung, „gilt […] nicht für Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes“, heißt es im Gesetzestext. Statt Arbeitslosengeld II bekommen Flüchtlinge und Asylsuchende, die derzeit ein Anrecht auf Arbeitslosenhilfe haben, nur noch Geld nach dem Ayslbewerbergesetz. „Damit wird sich ihre soziale Lage verschlechtern“, sagt Stefan Kessler vom Berliner Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegen rund 30 Prozent unter dem Niveau des künftigen Arbeitslosengelds II.

Etwa 280.000 Personen bezogen laut Statistisches Bundesamt 2002 derartige Leistungen – und es werden noch mehr werden. Bisher waren Flüchtlinge, die nach der Altfallregelung eine Aufenthaltsbefugnis besitzen und einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hatten, von dem Gesetz ausgenommen. Das gilt jetzt aber nicht mehr. Die Folge: Auch sie bekommen künftig kein Alg II. Rund 53.000 Flüchtlinge sind laut Pressestelle der Integrationsbeauftragten von dieser Änderung betroffen.

Doch weniger Geld zum Leben ist nicht das Einzige, was Flüchtlingen mit Hartz IV droht. Auch die verschärfte Zumutbarkeitsregelung betrifft sie indirekt. „Die Konkurrenz zwischen Deutschen und Ausländern wird sich verstärken“, befürchtet Kessler. Seine Begründung: AsylbewerberInnen haben einen so genannten nachrangigen Arbeitsmarktzugang. Sie dürfen nur jene Arbeiten übernehmen, für die sich Deutsche entweder zu schade sind oder die aus anderen Gründen nicht mit Deutschen besetzt werden können. Wenn künftig aber jede Arbeit zumutbar ist, fallen Arbeitsplätze weg, die bislang eher von Flüchtlingen besetzt wurden. „Ausländer werden so verstärkt aus dem Arbeitsmarkt herausgedrängt“, sagt Kessler.

Für einige MigrantInnen könnte es noch dicker kommen. Für sie hat die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe möglicherweise sogar aufenthaltsrechtliche Folgen. Davor warnen Pro Asyl und der Berliner Flüchtlingsrat. Nach dem alten Ausländergesetz konnten AusländerInnen, die Arbeitslosenhilfe bezogen, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen. Im Zuwanderungsgesetz wurde der entsprechende Satz gestrichen – mit vielleicht gravierenden Folgen: statt sicherem Aufenthaltsstatus droht weiterhin ein unsicherer Status, im schlimmsten Fall sogar die Ausweisung.

Doch auch das Arbeitslosengeld II, das Ausländer mit befristeter Aufenthaltserlaubnis im Gegensatz zu Asylsuchenden erhalten können, bringt nicht automatisch Rettung. „Bislang ist nicht klar, ob das steuerfinanzierte Alg II auch als Sozialhilfe gewertet wird“, erklärt Volker Roßocha, Migrationsexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die „Ermessensausweisung“ erlaubt es Ausländerbehörden aber, einen Ausländer auszuweisen, der „für sich, seine Familienangehörigen […] Sozialhilfe in Anspruch nimmt“.