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Archiv-Artikel

Wilde Bohne schützt den Wald

Selber schuld: Weil deutsche Großhändler faire Preise nicht bezahlen wollen, eroberten zwei kleine NGOs eine lukrative Marktnische: Gourmetkaffee aus dem Regenwald. Sein Verkauf hilft den Bauern und rettet den Bonga-Forest

von KATJA TRIPPEL

Vor nicht allzu langer Zeit war Bohnenkaffee noch ein echter Genuss. Ein kleiner, alltäglicher Luxus, der seinen Preis hatte, dafür aber einen Hauch Exotik in deutsche Küchen einziehen ließ. Heute vermittelt dieses Gefühl nur noch die Fernsehwerbung. Kaffee ist zur Massenware verkommen, die aus Automaten plärrt und in gesichtslosen Coffeeshops über den Tresen geschoben wird.

Gut findet das niemand. Die Kaffeebauern leiden unter dem eingebrochenen Weltmarktpreis, die Kaffeetrinker unter sinkender Qualität. Und Jochen Wilkens, Wissenschaftsleiter bei Tchibo in Hamburg, unter der billigen Massenware, die in der Branche die Preise drückt und kaum mehr Gewinne verspricht.

Deshalb wurde er hellhörig, als er von Regenwaldkaffee aus Äthiopien erfuhr; von Bohnen, die im Hochland der Region Kaffa – der Wiege aller Kaffesträucher dieser Welt – im Schatten von Urwaldriesen reifen, wild, unverzüchtet, unbehandelt und unvergleichbar aromatisch. Das klang nach den alten Werten – Genuss, Luxus, Exotik –, mit denen sich auf dem umkämpften Kaffeemarkt noch Geld verdienen lässt.

Reiner Klingholz, Vorstand des Hamburger Vereins „GEO schützt den Regenwald“, hatte Wilkens von seiner „Entdeckung“ aus Kaffa erzählt. Der Verein betreut dort ein Projekt zum Erhalt des Bonga-Forest und suchte dringend nach einem Partner für den Vertrieb der wilden Bohnen. Seine Idee: Durch einen fairen Abnahmepreis bliebe den Kaffeepflückern aus Bonga ein höherer Verdienst – und die Erkenntnis, dass der Regenwald mehr zu bieten hat als Brennholz und Ackerboden.

Schnell waren sich Klingholz und Wilkens einig: Kaffee aus dem Regenwald, das „löst Fantasie beim Konsumenten aus“, das „passt ins Hochpreissegment“. Wilkens wollte die Wildbohne für seine Exklusiv-Sparte „Raritäten von Privat-Kaffee“. Klingholz wollte einen Anteil des Umsatzes für den Regenwaldverein. Sie vereinbarten ein gegenseitiges Marketing, diskutierten und planten, fast ein Jahr lang. Doch scheiterten schließlich an der entscheidenden Frage: Wie viel Geld die Bauern in Bonga für ihren Kaffee bekommen.

„Wir haben stets gesagt, wir zahlen faire, angemessene Preise; so viel, dass die Bauern ihren Lebensunterhalt bestreiten und die Kinder zur Schule schicken können“, ärgert sich der Vorstand des Regenwaldvereins, „aber Tchibo ignorierte das bis zuletzt.“ Jochen Wilkens entgegnet, er habe solange nicht über Preise reden wollen, bis er den Wildkaffee gekostet habe. Grundsätzlich würden für Tchibo die Regeln des Marktes gelten, „die sind definiert – im Gegensatz zu einem fairen Preis“.

Vielleicht hätten sich die beiden darüber noch einigen können. Doch nach der ersten Verkostung – O-Ton Wilkens: „sehr interessantes Aroma“ – versuchte Tchibo hinter dem Rücken des Regenwaldvereins mit dessen Partnern in Bonga über mögliche Liefermengen des Wildkaffees zu verhandeln. Da reichte es Reiner Klingholz endgültig. Und er warf Tchibo aus dem Ring.

Das Geschäft mit dem Wildkaffee macht nun ein anderer: die kleine Freiburger Amber Corporation, die mit der gleichnamigen Entwicklungsorganisation Waren ökologischer Kleinbauern vertreibt. Innerhalb einer Woche hatten sich Klingholz und Amber-Geschäftsführer Florian Hammerstein über Preise, Vertrieb sowie den Anteil für den Regenwald-Verein geeinigt und eine Bestellung über 18 Tonnen wilde Bohnen nach Bonga geschickt.

Dort hatte sich die Nachricht, dass Deutsche gute Preise für wilde Bohnen zahlen, wie ein Lauffeuer verbreitet. Spontan organisierten die Kaffeebauern Sammelstellen, besserten die Wege für den Abtransport aus und prüften mit Hilfe des GEO-Vereins die Qualität der Ernte. Der selbstständige Vertrieb der Regenwaldfrüchte hatte begonnen, der Bonga-Forest als schützenswerte Einnahmequelle ist fürs Erste gerettet.

Im Juni traf die erste Ladung Regenwaldkaffee aus Kaffa im Hamburger Hafen ein, die zweite ist schon unterwegs. Etwa 400 Bauern aus Bonga und den umliegenden Dörfen haben die Bohnen von Hand gepflückt, getrocknet, gemahlen und an die Amber Corporation verkauft. Zu einem Preis, der etwa doppelt so hoch ist wie der Preis der Zwischenhändler an der Kaffeebörse in Addis Abeba – und den Familien ihre Existenz sichert.

Kaum war der Wildkaffee auf dem Markt, gab es wieder Ärger – diesmal mit dem Münchner Großhändler Dallmayr, der seine Prodomo-Bohnen von äthiopischen Plantagen bezieht. „Ihr verderbt mit euren Preisen den Markt!“, schimpfte ein Einkäufer ins Telefon, „das ist unverantwortlich!“ Florian Hammerstein hingegen freute sich: „Solche Reaktionen zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Bei Tchibo haben die Marktforscher inzwischen herausgefunden, was Klingholz und Hammerstein täglich beim Verkauf ihrer Wildbohnen erleben: Kaffee aus dem Regenwald kommt bei Konsumenten so gut an, dass sie gerne höhere Preise dafür bezahlen. Doch davon profitieren nun Amber, die Bauern aus Bonga – und der Regenwald.