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Archiv-Artikel

Vom Durchschnittsfranzosen zum Terroristen

Pierre Robert, alias Abu Abderrahman, kriegt vor Gericht in Marokko lebenslange Haft wegen Planung von Anschlägen

Pierre Robert hatte Glück. Die marokkanischen Richter folgten dem Antrag auf Todesstrafe gegen ihn und 11 weitere Angeklagte nicht. Für den 31-jährigen Franzosen blieb es am Donnerstagabend bei „lebenslänglich“ – obwohl er für schuldig befunden wurde, vom nordmarokkanischen Tanger aus ein islamistisches Terrornetzwerk des „Salafistischen Dschihad“ geleitet zu haben. Die drei Terrorzellen sollen Anschläge gegen Tourismuszentren in Marokko geplant haben. Zusammen mit 33 weiteren stand Robert deshalb seit Anfang September in Casablanca vor Gericht. Neben Robert gab es zwei weitere lebenslange Haftstrafen. Der Rest muss für drei Monate bis 20 Jahre hinter Gitter, ein Angeklagter wurde freigesprochen.

Für die Richter ist Robert ein wichtiger Kader der Salafisten, zu denen auch zwölf Selbstmordattentäter gehörten, die Mitte Mai bei einer Anschlagsserie in Casablanca sich selbst und 33 andere Menschen töteten. Robert habe den Kontakt zu al-Qaida gehalten, befand das Gericht. Das basierte auf einem umfassenden Geständnis Roberts bei Polizeiverhören. Kaum vor Gericht jedoch, widerrief er – die Beamten hätten ihn gefoltert. Am meisten überraschte Robert beim Prozess mit der Behauptung, er habe im Auftrag des französischen Geheimdienstes DST gearbeitet. Für ihn habe er sich während der Fußball-WM in Frankreich in islamistische Gruppen eingeschleust. Aus Paris freilich gab es keine Bestätigung.

Pierre Robert ist eigentlich ein Durchschnittsfranzose aus Ricamarie, einem grauen Vorort von Saint-Etienne an der Loire. Seine Altergenossen dort staunten nicht schlecht, als sie von der Anklage gegen ihn hörten. Viel zu unscheinbar war der junge Mann, der sich in seiner Freizeit neben dem Gebet dem Fußball widmete und der sich bis zu seinem endgültigen Umzug nach Marokko vor drei Jahren mit dem Verkauf von gefälschten Markenjeans auf Stadtteilmärkten durchschlug.

Pierre Robert ist eines von drei Kindern einer bescheidenen französischen Familie. In der Banlieue von Saint-Etienne bekam er Kontakt zu nordafrikanischen und türkischen Immigranten. Bald schon interessierte er sich für deren Religion. Mit 17 wurde aus Pierre Robert dann der Muslim Abu Abderrahman. Bald stand er dem Sportverein der türkischen Moschee vor. Dann reiste er in die Türkei, wo er Arabisch lernte.

1995 ging Pierre Robert alias Abu Abderrahman nach Marokko. Dort lernte er seine Frau kennen, mit der er schon bald einen Sohn hatte. Das Paar pendelte daraufhin zunächst zwischen Tanger und Saint-Etienne. Im Jahr 2000 siedelten die beiden vollständig nach Marokko über. Dort bekam Robert, so die marokkanischen Ermittlungen, Kontakt zu radikalen Kreisen. Er nahm an Schulungen der Salafisten teil und organisierte bald selbst Kurse. Auch nach Afghanistan in Al-Qaida-Ausbildungslager soll er gereist sein. Dort soll er Ussama Bin Laden höchstpersönlich kennen gelernt haben.

In Tanger lebte Robert diskret. Abends besuchte er regelmäßig ein Internetcafé, von dem aus er – so die Ermittlungen – Kontakt zu anderen Zellen aufnahm. Der blonde Robert gab sich dabei immer als Deutscher aus. Mitte April, einen Monat vor den Anschlägen von Casablanca, tauchte Robert unter. Am 6. Juni wurde er in Tanger verhaftet. Nun wird die Haft zum Dauerzustand. REINER WANDLER