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Archiv-Artikel

Tower Hamlets, East End

Von AB

Das traditionelle Textil- und Armenviertel East End ist schon immer Londons erste Station für Immigranten aus aller Welt gewesen. Das Herz des Quartiers ist Tower Hamlets, die ärmste und am schnellsten wachsende Gemeinde in ganz England. Hier ist jeder Zweite ein Einwanderer, mehr als ein Drittel von ihnen stammt aus Bangladesch.

Seit den Achtzigerjahren wurde eine konsequente Politik der Segregation betrieben: Eingerichtet wurden getrennte Schulen für weiße Briten und Andersstämmige, bis heute werden die Sozialwohnungen nach Herkunft und Hautfarbe zugewiesen, viele der Einwanderer sprechen selbst in der dritten Generation immer noch kein Englisch.

Die Arbeitslosenquote in Tower Hamlets ist mit bis zu 25 Prozent die höchste in ganz England, die Hälfte aller Haushalte bekommt staatliche Unterstützung, ein Drittel der Wohnungen gilt als „overcrowded“. Entsprechend hat Tower Hamlets die höchste Einwohnerdichte Englands.

Rund zwei Drittel der Erwerbstätigen verdienen weniger als 9.000 Pfund pro Jahr. Viele verdienen ihr Geld mit so genannten Rubbish Jobs – in den unzähligen Restaurants der „Curry-Kapitale“ Brick Lane, mit illegalem Taxifahren oder in den diversen Sweatshops.

Sweatshops gab es im East End schon zu Zeiten der Industrialisierung, als die Menschen in den Textilfabriken schufteten und im Schnitt kaum älter als sechzehn Jahre alt wurden. Dann kamen – in dieser Reihenfolge – die Arbeiterbewegung, höhere Löhne und die Globalisierung, weshalb die großen Firmen ihre Arbeitsplätze in Entwicklungsländer auslagerten und die einheimischen Fabriken schließen mussten.

Ende der Neunzigerjahre entstanden jedoch neuartige Arbeitsplätze in der Textilindustrie in London und anderen europäischen Städten. Die großen Textilkonzerne hatten umdisponiert: Ihre Basisprodukte lassen sie nach wie vor zu Niedrigstlöhnen in Entwicklungsländern schneidern, das Endprodukt aber möglichst nah am Verkaufsort fertig stellen.

Um Steuern zu sparen und das Transportrisiko zu minimieren, beauftragten sie nun einheimische Subunternehmer mit dem Annähen von Knöpfen, Reißverschlüssen und Logos. Diese wiederum beauftragten örtliche Zulieferfirmen, die meist Immigranten als Billigarbeitskräfte nutzen und gegenseitiges Preisdumping betreiben. Das Resultat sind Niedrigstpreise wie in Osteuropa, gepaart mit größtmöglicher Lieferflexibilität. Auf der Strecke bleiben gesetzliche Mindestlöhne, Sicherheits-, Gesundheits- und Sozialstandards.

Sweatshops sind in den letzten Jahren auch in Italien, Spanien und der Türkei, in Ungarn, Tschechien, Rumänien und Polen entstanden. In Deutschland, so Rainer Otto von der IG Metall, sind seit den Siebzigerjahren fast sämtliche Textilarbeitsplätze abgebaut worden. Über Arbeitsbedingungen, wie sie für Sweatshops typisch sind, liegen ihm keine Meldungen vor. Die deutschen Firmen, so Otto, orientieren sich wegen niedrigerer Löhne und Sozialstandards vor allem immer weiter in Richtung Ukraine. AB

Internetadressen zum Thema: www.nosweat.org.uk; www.gmb.org.uk; www.sauberekleidung.de und www.labourbehindthelabel.org