Musik mit Farbe

Durch Abstraktion wurde er ein Star des Poster-Markts. Das Wuppertaler Von der Heydt Museum zeigt Werke des jungen Wassily Kandinsky

Ich beneide die Musiker, die Kunst machen können, ohne etwas „Realistisches“ zu erzählen

VON HOLGER ELFES

Er war als Avantgardist und Wegbereiter der abstrakten Malerei einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts. Nur aus wenigen farbigen geometrischen Elementen bestehende Kompositionen prägen die letzten drei Lebensjahrzehnte von Wassily Kandinsky und sind wohl aus keinem Postershop wegzudenken. Das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum zeigt noch bis Mitte September einen ganz anderen Kandinsky.

Der Klang der Farbe heißt die Ausstellung, die im Von-der-Heydt als einzigem Museum in Deutschland die zwischen 1900 und 1921 entstandenen Frühwerke des Malers zeigt. Chronologisch aufgebaut lässt sich Kandinskys Entwicklung von seinen eher konventionellen romantischen Landschaftsmalereien hin zu einer immer radikaler werdenden Abstraktion verfolgen. Der aus Moskau stammende Künstler kam erst spät zur Malerei. Nach einem Jurastudium und wissenschaftlicher Arbeit an der Uni Moskau, lehnt er dreißigjährig 1896 das Angebot einer Professur ab. Vorausgegangen war eine Begegnung mit der Malerei Monets in Paris, die ihn dazu bewog, die Juristerei an den Nagel zu hängen, nach München überzusiedeln und sich fortan der Kunst zu widmen. An der Kunstakademie studierte er bei Franz von Stuck, tauschte sich nebenher mit den Künstlerkollegen Alexej von Jawlensky und Marianne Werefkin aus. In zartem pastellgelb, sanftem Grün und in einem tiefen Blau, das er von seinem Vorbild, dem russischen Maler Nikolaj Roerich abgeschaut hatte, leuchten seine frühen Bilder. Neben den Landschaften der bayerischen Wahlheimat kommen immer wieder auch von der russischen Volkskunst inspirierte Werke dazu. Ein Saal ist farbigen Druckgrafiken mit russischen Märchenmotiven gewidmet und den sogenannten „Xylographies“, die sich ebenfalls mit der Folklore Russlands beschäftigen. Die Formensprache des Jugendstils ist in den ganz auf die Wirkung des Schwarz-Weiß-Kontrasts reduzierten Xylographies unübersehbar. Aber eigentlich ging es Kandinsky ja um die Farbe. „Schon in jungen Jahren fühlte ich die unerhörte Ausdruckskraft der Farbe. Ich beneide die Musiker, die Kunst machen können, ohne etwas ‚Realistisches‘ zu ‚erzählen‘“, schrieb er rückblickend Ende der 30er Jahre über seinen Weg zur Abstraktion. Mit Arnold Schönberg war er Jahre lang im Briefverkehr. Und als ob er seiner Liebe zur Musik stärkeren Ausdruck verleihen wollte, nennt er viele seiner Bilder in der Folge „Kompositionen“, die er einfach nur noch durchnumeriert. Der Hauptakzent der Ausstellung liegt auf Kandinskys seit 1909/1910 immer deutlicher werdenden Auseinandersetzung mit dem Expressionismus und der Hinwendung zur Abstraktion. Kein abrupter Bruch, vielmehr langsam vollzieht sich der Wandel. Gebäude, Felder und der Himmel werden zu farbigen Flächen, wie im 1910 entstandenen „Landschaft mit Fabrikschornsteinen“, sind aber als solche noch zu erkennen. Wenige Jahre später sind Farben und Formen von der vertrauten Wirklichkeit abgehoben, etwa in „Unbenannte Improvisation II“ von 1914. Nach seiner durch den Kriegsausbruch erzwungenen Rückkehr nach Russland werden die Farben vorübergehend düsterer, Kandinskys Weg in die Abstraktion ist aber unumkehrbar. Hier endet die Ausstellung, deren großes Verdienst es ist, mehr als 60 frühe Werke Kandinskys an einen Ort zusammengebracht zu haben. Keine leichte Aufgabe für die Kuratoren, da seine Bilder, nachdem er die junge Sowjetunion verlassen hatte, über das Riesenreich verteilt wurden und bis heute noch verstreut sind.