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Archiv-Artikel

Glück durch „Glückslos“

Ein dubioser Werbepost-Versender versprach einem Mann einen angeblichen Gewinn. Jetzt urteilten Richter: Die Firma muss wirklich zahlen

von Ulrich Reineking

Wer hat in seiner Post noch keine Gewinnzusage mit Sachpreisen oder Geldprämien aus irgendeiner Verlosung bekommen, an der teilgenommen zu haben man sich beim besten Willen nicht erinnern kann?

Während der vertrauensselige Trottel gläubig das Formular zurückschickt und sich damit gleich noch sein Kauf-Zertifikat für eine Original-Künstlerpuppe in Biskuitporzellan zum Vorzugspreis von 98 Euro sichert, wirft der aufgeklärte Zeitgenosse solche Junk-Mail sofort in den Papierkorb und weiß sich damit auf der Seite der reklameskeptischen Vernunft.

Was aber ist nun wohl der 73-jährige Wilhelm T. aus dem niedersächsischen Rinteln für ein Typ?

Als er von dem Unternehmen „Palm Beach Collection“ sein persönliches Gewinnzertifikat mit dem für ihn ausgelosten Preis von 25.000 Euro erhielt, fackelte er nicht lange, forderte seinen Gewinn an und erfüllte zusätzlich auch die Kondition, gleichzeitig und vor Fristablauf einige Modeschmuckteile zum Testen und Kennenlernen zum Vorzugspreis zu bestellen. Setzte dafür aber handschriftlich die Bedingung, dass diese Bestellung nur bei Gewinnauszahlung fällig würde: „Sie können den Rechnungsbetrag gleich von der Gewinnsumme abziehen.“

Die Billigklunker kamen samt Rechnung – das angekündigte Preisgeld aber ließ auf sich warten. Und so zog der schlaue Wilhelm mit seiner Anwältin Andrea Sokolowski vor Gericht – des hohen Streitwerts wegen ging die Sache gleich ans Landgericht ins niedersächsische Bückeburg.

Dort bezweifelten die Richter, dass ein lebens- und geschäftserfahrener Mann wie Wilhelm im Ernst an einen möglichen Gewinn geglaubt und die Sache nicht im vornherein als Werbegag erkannt hätte – und wies seine Klage zurück.

Rechtsanwältin Sokolowski war sich mit ihrem Mandanten einig: „Bei Lotto denkt auch nicht jeder daran, wirklich was zu gewinnen – aber Millionen spielen dennoch mit und erwarten die Auszahlung, wenn die Zahlen stimmen.“

Eine Position, der sich das Oberlandesgericht Celle jetzt in einem Urteil ohne Möglichkeit zur Revision anschloss. Es verurteilte die Schmuckversender, den zugesicherten Hauptgewinn an T. auszuzahlen: „Nach § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch Gestaltung dieser Zusendung den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, diesen Preis auch zu leisten.“

Zur Begründung führt der Senat weiter aus: „Da dem Kläger seitens der Beklagten an mehreren Stellen in den Unterlagen aufgeführt eine Gewinnzahlungsnummer zugeteilt worden ist, kann niemand auf die Idee kommen, dem Kläger werde lediglich die Möglichkeit zur Teilnahme offeriert.“

Wilhelm T. und seine Anwältin sehen nunmehr erwartungsvoll der Auszahlung entgegen, denn auch am italienischen Stammsitz des Unternehmens gilt EU-Recht, das derartige Versuche zur Kaufbeeinflussung nicht einfach durchgehen lässt: „Auf Basis dieses Urteils können wir notfalls auch den Gerichtsvollzieher in Marsch setzen“, sagt Wilhelm T.

Von dem Gewinn ein Dauerlos der Klassenlotterie zu kaufen, hat er vorläufig nicht vorgesehen – man soll ja nicht gierig werden.