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Sie wollten nicht töten

Wegen versuchter schwerer Brandstiftung an einem Polizeiauto muss ein 16-jähriger Bremer jetzt für zwei Jahre ins Gefängnis. Seine drei potenziellen, ebenfalls minderjährigen Mittäter kamen mit Bewährungsstrafen davon

Für zwei Jahre muss ein 16-Jähriger ins Gefängnis, der zusammen mit drei gleichaltrigen Jugendlichen versucht haben soll, ein Polizeiauto in Brand zu stecken. Anders als die Staatsanwaltschaft mochten die Richter jedoch nicht von versuchtem Polizistenmord sprechen.

Eine Tötungsabsicht sei den Minderjährigen nicht nachzuweisen, so die Große Jugendkammer des Landgerichts Bremen bei der nicht-öffentlichen Urteilsverkündung. Es sei auch nicht erwiesen, dass sie den Tod der 27 und 29 Jahre alten Polizisten zumindest billigend in Kauf genommen hätten. Ihr Tatwerkzeug wäre ein – de facto nicht entzündeter – Molotow-Cocktail gewesen. Verurteilt wurden sie am Ende wegen versuchter schwerer Brandstiftung, Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz.

Damit blieb das Gericht deutlich unter den Anträgen der Anklage. Diese hatte für den Haupttäter drei Jahre Gefängnis wegen Mordversuchs gefordert. Den potentiellen Molli-Werfer wollte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und acht Monaten inhaftiert sehen – er kam mit einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten davon. Die beiden übrigen Angeklagten wurden zu Bewährungsstrafen von 15 und zehn Monaten verurteilt.

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Jugendlichen davon ausgingen, „nicht unerhebliche Brandverletzungen“ bei den Polizisten verursachen zu können. Die Verteidigung geht davon aus, dass die Angeklagten – sie hatten die Streife unter falschem Vorwand in einen Park gelockt – in letzter Minute ihre Pläne ganz fallen ließen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Anklage und Verteidigung behielten sich gestern Revision vor.

Strittig ist vor allem die Frage der Verwertbarkeit der Ermittlungen. Die Polizei hat keinen der Jugendlichen ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt oder auch nur versucht, die jeweiligen Eltern von der bevorstehenden Vernehmung in Kenntnis zu setzen. Dazu wären sie laut Polizeigesetz jedoch ausdrücklich verpflichtet gewesen. Auch das Verhör selbst qualifizierte das Gericht als „ungewöhnlich“ und „wenig jugendgerecht“. So musste sich mindestens einer der Beschuldigten bis auf die Unterwäsche ausziehen, um mitten in der Nacht in einem Papieroverall verhört zu werden. Als er morgens das Protokoll unterschrieb, wurde er mit einem starken Scheinwerfer geblendet. Das Gericht sieht jedoch – anders als die Verteidigung – in der Verwendung der so gewonnenen Aussagen kein Problem. MNZ

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