: Warten auf Marcelinho
Bundesliga: Gut – mit dem 2:2 beim VfL Bochum erspart Hertha BSC sich und vor allem Trainer Stevens eine Eskalation der Krisendiskussion. Schlecht – letztlich hat man zwei Punkte verschenkt
von MARKUS VÖLKER
Der Spielerrat von Hertha BSC Berlin wird heilfroh sein über das Spiel in Bochum, das 2:2 endete, einen Punkt erbrachte sowie die Erkenntnis, dass es um den Hauptstadtklub nicht ganz so ernst steht wie befürchtet. Die sechs Profis des Spielerrats, darunter Dick van Burik und Arne Friedrich, mussten sich am Sonntag nicht zum großen Krisengipfel mit Manager Dieter Hoeneß und Trainer Huub Stevens treffen. Es rauchten keine Köpfe, es mussten keine Überlegungen zur Eskalation der Lage angestellt werden.
Die Situation darf als entspannt bezeichnet werden. Zwar rangiert Hertha BSC mit nur vier Punkten aus sechs Partien in verdächtiger Nähe zu den Abstiegsplätzen, aber wenigstens ließ sich die Elf die Bedrängnis im Bochumer Ruhrstadion vor 21.999 Zuschauern nicht anmerken. Das Team spielte den besten Fußball dieser Saison, stand kompakt, war zu flüssigen Kombinationen fähig und sogar zu gelegentlichen Geistesblitzen, eine Tugend, die zuletzt verloren schien.
Huub Stevens schickte eine veränderte Mannschaft aufs Feld. Dick van Burik kam für den verletzten Marko Rehmer in die Abwehr zurück. Pal Dardai durfte wieder im defensiven Mittelfeld mitwirken. Und Andreas Neuendorf ackerte, nachdem ihn lange Zeit Rückenbeschwerden geplagt hatten, auf der rechten Außenbahn – als Linksfuß durchaus unorthodox. Das erneuerte Mittelfeld, zudem wieder mit Bart Goor und mit einem erstmals überzeugenden Kovac, war es dann auch, das Herthas Spiel antrieb und zu einer Vielzahl von Chancen führte – gegen statische Bochumer, die meist auf ihren technisch anspruchsvollen Kurzpassfußball verzichteten und die hoch gewachsenen Hertha-Verteidiger mit hohen Flanken erfreuten.
Bochum machte es den Gästen leicht, das schon, aber auch Hertha selbst wirkte teilweise wie aufgemöbelt. Neuendorf besorgte früh das 0:1 (6.), eine Stunde später traf er zur 2:1-Führung. Hertha BSC schaffte es beide Male nicht, den Vorsprung zu halten; davon abgesehen, vergaben Goor, Dardai, Bobic, Kovac und der stärkste Hertha-Spieler, Alexander Mladenov, U21-Spieler Bulgariens, beste Möglichkeiten.
Stevens monierte zwar, dass sein Team noch „3, 4, 5 Tore“ hätte schießen müssen. „Alles war besser“, sagte er aber grundsätzlich zum allgegenwärtigen Fortschritt gegenüber der 2:3-Heimniederlage gegen Hannover 96. „Die Spieler haben hier füreinander gestanden“, lobte der Holländer und gab das Motto für die nächste Zeit aus: „Schritt für Schritt vorangehen.“
Andreas Neuendorf gewährte nach der Begegnung einen Einblick in die interne Strategie der Krisenbewältigung. „Wir hatten uns so viel vorgenommen für dieses Spiel, wir dachten, wir könnten Bochum überrollen oder zumindest drei Punkte holen – aber so lassen wir den Trainer fast wieder im Regen stehen.“ Das ist übertrieben, aber ein Spitzenteam der Bundesliga hätte die Chancenflut auf fremdem Platz zur Toreflut genutzt.
Die Angst der Stürmer vorm Torwart weist Hertha BSC noch immer als kriselnden Patienten aus. Aber bald kommt ja der noch verletzte Brasilianer Marcelinho zurück. Der war in der vergangenen Saison an 50 Prozent der Hertha-Treffer beteiligt.