: Tag der Finsternis
Das deutsche Davis-Cup-Team muss sich nach der Niederlage gegen Weißrussland mit den Niederungen der Zweitklassigkeit vertraut machen
aus Sundern DORIS HENKEL
Morgens um halb elf probte der unerschütterlich fröhliche Roberto Blanco mit den Zuschauern im Stadion am Wald noch „La Ola“, keine drei Stunden später sank der größte Fan des deutschen Tennis ernüchtert auf seinen Stuhl. Mit Max Mirnyis letztem souveränen Volley im Spiel gegen Rainer Schüttler war nicht nur dessen Niederlage besiegelt (3:6, 5:7, 3:6), sondern auch der erste Abstieg eines deutschen Teams aus der Weltgruppe des Davis Cups seit 1982. Nach der Niederlage des Doppels Schüttler/Kiefer am Samstag näherte sich das Unheil nicht überraschend, aber es traf die Deutschen mit Macht. Und es schickt sie auf eine ungewisse Reise in die Europa/Afrika-Gruppe, auf eine ungewisse Reise in die Zweitklassigkeit.
Zumindest bei der entscheidenden Partie erübrigte sich die Diskussion über Boden, Bälle und Begebenheiten ebenso wie die Frage, ob es besser gewesen wäre, wenn Spitzenspieler Rainer Schüttler auf den Ausflug zum Turnier nach Costa da Sauipe in Brasilien in der Woche vor dem wichtigen Relegationsspiel verzichtet hätte. Von Anfang an wirkte er matt und verkrampft, und vor allem seine Returns waren zu zaghaft, um den starken und überaus soliden Max Mirnyi in Verlegenheit zu bringen.
Wie einseitig die Geschichte war, zeigt die Tatsache, dass Schüttler in den gesamten zwei Stunden der Partie nicht einen einzigen Breakball hatte. Es war nicht die Müdigkeit, die ihm zu schaffen machte nach dem harten Fünfsatzspiel vom Freitag und dem am Samstag mit Nicolas Kiefer verlorenen Doppel, sondern der Druck, in diesem Spiel für das Wohl und Wehe der Mannschaft verantwortlich zu sein. „Vielleicht war ich zu verbissen und wollte zu viel“, gab er hinterher zu, „vielleicht hat mich das gehemmt.“
Für das deutsche Tennis ist es ein finsterer Tag. Und ein herber Rückschlag nach einem Jahr, in dem mit Rainer Schüttlers Aufstieg in die Top Ten immer wieder neue Hoffnung beschworen worden ist. Zwar meinte der Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB), Georg von Waldenfels, bei aller Bitterkeit der Niederlage herrsche keine Katastrophenstimmung, und ein Abstieg beinhalte ja auch die Chance, sich zu besinnen, aber auf allzu große Besinnlichkeit im deutschen Tennis deutet nicht viel hin.
Teamchef Patrik Kühnen, der die Mannschaft vor einem Jahr beim (gewonnenen) Relegationsspiel gegen Venezuela übernommen hatte, muss nun als erster Chef eines DTB-Teams seit 20 Jahren mit dem Abstieg fertig werden. Es seien schon gewisse Dinge aufzuarbeiten aus diesem Jahr, sagte er, aber wichtig sei es vor allem, die Mannschaft auch außerhalb der Weltliga zusammenzuhalten. „Wir müssen die harte Zeit jetzt zusammen durchstehen. An Orten, die wir jetzt noch nicht kennen.“
Wo, wann und gegen wen das DTB-Team im nächsten Jahr in der Europa/Afrika-Gruppe spielen wird, hängt von den restlichen Ergebnissen der Relegationsrunde ab, aber auch von einer grundsätzlichen Einstufung der Spielstärke durch den Internationalen Tennisverband (ITF). „Wer absteigt, steigt auch wieder auf“, verkündete Rekonvaleszent Tommy Haas mit amerikanischem Optimismus; ob er selbst 2004 in der Lage sein wird, der Mannschaft zu helfen, steht noch lange nicht fest. Und ob Nicolas Kiefer viel Begeisterung für die Idee aufbringt, in Finnland oder Simbabwe in der zweiten Liga zu spielen, ist auch nicht garantiert; manche fanden, auch in der Trainingswoche von Sundern hätte ein wenig mehr Begeisterung nicht schaden können.
Was Rainer Schüttler vorschwebt, lässt sich indes leicht deuten. „Ich hab als Junge die großen Erfolge von Becker, Stich und Kühnen im Davis Cup miterlebt – solche Erfolge wollten wir auch haben. Irgendwann wollen wir den Pott in den Händen halten – jetzt dauert’s eben ein Jahr länger.“ Es ist eine sehr optimistische Sicht der Dinge.