: Pinochet-Prozess
Menschenrechtsorganisationen und Diktaturopfer begrüßen die Aufhebung der Immunität des Exdiktators
SANTIAGO DE CHILE dpa/epd ■ Nach der Aufhebung der Immunität des früheren chilenischen Diktators Augusto Pinochet wurde gestern in Santiago mit einem baldigen Verhör des 88-Jährigen und einer Untersuchung seines Gesundheitszustands gerechnet. Der Untersuchungsrichter Juan Guzmán werde in einem ersten Schritt vermutlich Pinochet befragen und später dann ein Gutachten zu dessen Verhandlungsfähigkeit beantragen, sagte der Strafverteidiger Jorge Bofill in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Zeitung La Tercera.
Der Oberste Gerichtshof Chiles hatte die Immunität am Vortag mit neun zu acht Stimmen aufgehoben. Die Richter autorisierten damit ein Strafverfahren gegen Pinochet im Zusammenhang mit der so genannten „Operation Condor“, mit der in den Siebzigerjahren mehrere Militärdiktaturen Südamerikas die grenzüberschreitende Verfolgung und Ermordung hunderter von Regimegegnern organisierten. Die Anzeige gegen Pinochet hatten Rechtsanwälte von Angehörigen der Opfer der chilenischen Militärdiktatur (1973 bis 1990) erstattet.
Ob der frühere Alleinherrscher jedoch wirklich vor Gericht muss, war offen. Ein früheres Verfahren gegen ihn war 2002 wegen Verhandlungsunfähigkeit infolge von Demenz eingestellt worden.
Angehörige von Opfern der Diktatur begrüßten die erneute Aufhebung der Immunität Pinochets und sprachen von einer „Stärkung der Demokratie“ in Chile. Regierungssprecher Francisco Vidal betonte, Chile sei ein Rechtsstaat, „in dem die Entscheidungen der Justiz befolgt“ würden. Pinochets Sprecher, der General im Ruhestand Guillermo Garín, warf dem Obersten Gerichtshof hingegen „Inkonsequenz“ vor. Der Gesundheitszustand Pinochets habe sich seit 2002 nicht verbessert.
Die Menschenrechtsorganisationen amnesty international (ai) und Human Rights Watch sprachen von einem „großen Schritt“ bei der juristischen Aufarbeitung der Diktaturverbrechen. Es gebe viele Beweise, dass Pinochet in die „Operation Condor“ verwickelt war, sagte Viviana Díaz von der Vereinigung der Opfer-Angehörigen.
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